Kolumne Berliner Fußball: TuS Makkabi: Menschlichkeit in dunklen Zeiten
Wie führt man eine Mannschaft, die sich an eine Niederlage nach der anderen gewöhnt hat? Unser Kolumnist hat dazu mal den Trainer des TuS Makkabi befragt, der in der Berlin-Liga derzeit alles andere als gut da steht.
Es gibt Fußballtrainer wie zum Beispiel die ukrainische Legende Waleri Lobanowski, der seine Spieler möglichst wie Roboter haben wollte. Bei ihm musste sich jeder dem System anpassen und es gab keinen Platz für Emotionen oder fürs Ego. Oder für Gefühle. Das System kam zuerst und die individuellen Wünsche der Spieler standen in der Prioritätenliste sehr weit unten.
Und dann gibt es Fußballtrainer wie den Briten Harry Redknapp, die für ihre Personalführung bekannt sind. Die Spieler werden als Menschen gesehen, mit all ihren Komplexen, Unsicherheiten und Hemmungen. Solche Gefühle können nicht einfach ignoriert werden – sonst wird man frustriert, wütend und ängstlich. Und alle wissen: Furcht ist der erste Schritt auf dem Pfad zur dunklen Seite.
Dunkele Zeiten gibt es gerade beim Berlin-Ligisten TuS Makkabi. Letztes Jahr beendete der Aufsteiger aus der Landesliga die Saison überraschend auf dem zweiten Platz in der Berlin-Liga, aber seitdem lief alles schief. Viele der besten Spieler haben den Verein verlassen und bei „bekannteren“ Mannschaften wie Hertha 03 oder Tennis Borussia angeheuert.
Kein Problem: Der jüdisch-stämmige Klub aus dem Südwesten Berlins hat Ersatz gefunden und obwohl es klar war, dass noch so eine erfolgreiche Saison wie die letzte unwahrscheinlich war, schien ein komfortabler Mittelfeldplatz ein realistisches Ziel zu sein.
Bislang nur zwei Punkte geholt
Leider entwickelten sich die Dinge nicht ganz so wie erhofft. Makkabi hat bis jetzt in der Hinrunde fünfzehn Spiele absolviert und nur zwei Punkte geholt. Es gibt vierzehn Punkte Abstand zum sicheren fünfzehnten Platz in der Tabelle. Der Trainer, Claudio Offenberg, scheint nicht der Typ zu sein, der zum Übertreiben neigt. „Die Situation ist schon sehr problematisch”, sagt er ganz trocken.
Und wenn er dann von einer „dramatischen Verletzungsserie“ spricht, dann nimmt man ihm das auch wirklich ab. Die 13 Niederlagen über die letzten drei Monate sind genau so viele wie über die vorangegangenen zwei Spielzeiten zusammen. Wie führt man eine Mannschaft, die sich anscheinend schon daran gewöhnt hat, Woche für Woche zu verlieren?
Die Antwort ist einfach: Man muss sich um die Spieler kümmern, ganz im Stile von Harry Redknapp. „Motivation ist eigentlich die Hauptaufgabe”, erklärt Offenberg. „Ich halte es für wichtig, dass wir respektvoll mit den Spielern umgehen, dass wir sie nicht für alles verantwortlich machen. Und dass wir wissen, dass sie teilweise mit der Aufgabe ein wenig überfordert sind. Die Führungsspieler, von denen wir dachten dass sie die Mannschaft führen, stehen nicht alle zur Verfügung. Deswegen muss man sicher gehen, dass man mit den Jungs gerecht umgeht.“
Trotz allem Misserfolg ist die Stimmung in der Kabine gut
Es ist interessant, dass der Trainer das emotionale Wohlbefinden der Spieler so wichtig findet. Amateurfußball ist eine Welt, die mit Klischees überfüllt ist: man gibt immer 110%, Männer müssen hart sein und hart kämpfen bis zur letzten Sekunde, der Trainer schreit und brüllt bis die Spieler endlich mal ein Tor schießen. Aber Klischees helfen nicht, wenn Menschen demotiviert sind. Dank Offenbergs Bemühungen, ist die Stimmung in der Makkabi-Kabine trotz allem Misserfolg sehr gut. „Wir haben eine Trainingsbeteiligung von 18 bis 20 Spieler und wir sind sehr stolz darauf, dass die Mannschaft zu jedem Spiel wirklich topmotiviert aufläuft”, sagt Offenbach. „Ich glaube, wenn es unsere Situation woanders gäbe, würde alles ganz anders aussehen.”
Letztes Wochenende hat Makkabi mit einem durch Maximilian Woiczikowsky verwandelten Elfmeter in der letzten Sekunde einen Punkt gegen Hermsdorf gewonnen – den zweiten Punkt der Saison. Offenberg war Stolz auf seine Jungs: „Gegen Hermsdorf haben wir wieder zwei Rückstände hingenommen und sogar in Unterzahl ausgeglichen – diese Fakten sprechen für sich.
Am Sonntag spielt Makkabi gegen die Sportfreunde Johannistal – eine Mannschaft, die ebenfalls eine schwere Hinrunde erlebt hat. Der Aufsteiger aus der Landesliga hat bis jetzt nur fünf Punkte gesammelt und beide Mannschaften werden das Spiel als eine gute Möglichkeit sehen, gegen einen schlagbaren Gegner die schlechte Hinrunde so positiv wie möglich zu beenden. Offenberg bereitet seine Jungs aber ganz normal vor. „Die Hoffnung ist da, dass der Punktgewinn gegen Hermsdorf einfach noch ein paar Prozent mehr an Leistung freisetzen wird und wir hoffen, dass wir belohnt werden.“
Das wird am Sonntag am Segelfliegerdamm gleich beim ehemaligen Flugplatz in Johannisthal sicherlich ein sehr interessantes Spiel. Klar, beide Mannschaften verfügen nicht über die beste Spieler der Liga, aber für dieses Spiel wird weder Makkabi noch Johannistal Schadensbegrenzung als Ziel haben. Jetzt ist die perfekte Zeit dafür, dass die bedachte Vorgehensweise von Claudio Offenberg endlich mal ein Sieg für seine Jungs erzeugt. Und wer weiß, was dann noch in der Rückrunde passieren könnte, vor allem wenn das Verletzungspech endlich mal vorbei ist?
Stephen Glennon kommt aus Irland, lebt seit 2005 in Berlin und ist Mitgründer des englischsprachigen Berliner Fußballmagazins „No Dice“. Für den Tagesspiegel schreibt Glennon immer freitags über den Berliner Fußball. Bilder und Spielberichte von „No Dice” auf Facebook.
Stephen Glennon