Kolumne: Auslaufen mit Lüdecke: Trainerentlassungen werden überschätzt
Der VfB Stuttgart tauscht den Trainer – und verliert dann noch höher. Da stimmt doch was nicht, findet unser Autor. Eine Glosse.
Am Wochenende wurde viel über Hertha geredet. Dabei haben sie auch Fußball gespielt. Und wie ich finde, sehr respektabel. Trotzdem gab es eine Diskussion darüber, ob die Punkteteilung in Dortmund glücklich gewesen sei. Nun, das war sie vielleicht. Aber andererseits: Zweimal einen Rückstand in Dortmund vor 80.000 Zuschauern aufzuholen, das muss man auch erst mal hinbekommen. Und das ist nicht nur so ins Blaue gesprochen. Denn auch wenn manche Dortmunder nach dem Schlusspfiff rot vor Zorn wurden und Geschäftsführer Watzke meinte, seine Mannschaft sei zu grün gewesen, bin ich letztlich der Ansicht: Lieber glücklich unentschieden spielen, als verdient zu verlieren.
Fragen Sie mal in Stuttgart nach. Die hatten so oft verloren, dass sie meinten, jetzt müsste etwas passieren. Also haben sie als Tabellenletzter den Trainer entlassen. Und siehe da, plötzlich passierte wirklich was. Während man bislang die Begegnungen mit zwei oder drei Toren Unterschied verlor, gelangen nun unter der neuen Führung (Markus Weinzierl) zwei fulminante 0:4-Niederlagen.
Weinzierl sollte sich seine rhetorische Munition gut einteilen
Trainerentlassungen vermitteln zunehmend den Eindruck, dass sie vollzogen werden, um Druck von der Mannschaft zu nehmen, so dass sie auch mal unbeschwert unter einem anderen Trainer verlieren kann. Aus Kostengründen sollte man sich deshalb Trainerwechsel zweimal überlegen. Denn Niederlagen sind preiswerter zu bekommen. Das sagt man sich wohl auch in Düsseldorf, einer Mannschaft, die punkt- und torgleich mit Stuttgart am Tabellenende steht.
Die Düsseldorfer haben ihrem Trainer, trotz der Misere, eine Jobgarantie ausgesprochen. Bei ambitionierten Vereinen – das weiß man inzwischen – bedeutet so eine Aussage, dass der Trainer innerhalb der nächsten Woche sein gewohntes Berufsumfeld verlassen darf. Den Düsseldorfern nehme ich das Treuebekenntnis zum Trainer (Funkel) ab. Es liegt nicht am Trainer. Die Mannschaft ist einfach nicht besser. Sie ist so grün, dass schon alle roten Laternen leuchten. Um es positiv zu formulieren: Für die Zweite Liga ist Düsseldorf eigentlich zu gut. Das nützt nur nichts in der gegenwärtigen Situation.
Im Gegensatz zum Düsseldorfer Trainer sollte der Stuttgarter aber auf der Hut sein. Vor allem sollte er sich seine rhetorische Munition nach Spielende gut einteilen. Diesmal sagte er: „Wir dürfen nach dem ersten Tor nicht gleich das zweite und dritte kassieren.“ Was aber soll er sagen, wenn auch das dritte Spiel 0:4 verloren geht? „Wir dürfen nicht gleich nach dem ersten Spiel auch das zweite und dritte 0:4 verlieren?“
Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt hier jeden Montag über die Fußball-Bundesliga.
Frank Lüdecke