Zweite Liga: Union Berlin: Trainer Jens Keller überraschend entlassen
Überraschung beim 1. FC Union: Der Fußball-Zweitligist aus Berlin hat Trainer Jens Keller gefeuert. André Hofschneider übernimmt das Team.
Montagfrüh, 8.37 Uhr, gab es von der Pressestelle des 1. FC Union den Hinweis, dass es nach dem 10-Uhr-Training keine Interviews mit Spielern geben werde. So etwas ist ungewöhnlich bei Union, auch wenn es am Vortag bei der 1:2-Niederlage beim VfL Bochum eine schwache Leistung der Mannschaft gegeben hatte. Einige Journalisten und Fans warteten schon über 30 Minuten am Trainingsplatz, als jedoch eine Nachricht mit wirklicher Sprengkraft durchsickerte – nämlich die von der Entlassung des Trainers Jens Keller und seines ersten Assistenten Henrik Pedersen. Rund 20 Minuten später gab es die offizielle Bestätigung des Vereins zum Trainerwechsel. Ab sofort übernimmt mit André Hofschneider Unions bisheriger U-19-Trainer das Cheftraineramt.
Von Hofschneider war am Montag noch nichts zu sehen beim 1. FC Union. Der 47-Jährige wird nach dem trainingsfreien Dienstag erst am Mittwoch eingreifen. Am Montag leitete Trainer Sebastian Bönig die Einheit der Reservisten, an der mit Kekuta Manneh auch ein Testspieler teilnahm. Der 22 Jahre alte Offensivspieler aus den USA kickte zuletzt für Columbus Crew in der Major Soccer League. Doch diese Personalie ging angesichts der Trainerrochade in Köpenick beinahe unter.
Keller und Pedersen wurden von ihrer Freistellung vollkommen überrascht. Von der Internetplattform ran.de wurde Keller so zitiert: „Ich bin geschockt und kann es nicht verstehen. Wir waren in guten Gesprächen über einen neuen Vertrag.“
Noch vor kurzem hatte Keller gesagt, dass er keine Eile hinsichtlich der Verlängerung seines bis 2018 laufenden Vertrags habe. Vereinspräsident Dirk Zingler erklärte im Vorlauf der Mitgliederversammlung am 22. November, dass er Konstanz auf der Trainerposition haben möchte. Das ist nun alles Makulatur. Keller hatte zwar mit Rang vier in der Vorsaison für die erfolgreichste Zweitbundesliga-Platzierung der Vereinsgeschichte gesorgt. Den erhofften Sprung in die Bundesliga traute ihm Zingler nun wohl nicht mehr zu. „Es ist ein harter Schnitt, den wir vollziehen, weil wir ihn für notwendig halten. Mit unserer Spielweise und den Ergebnissen der letzten Wochen wurden wir nicht den Ansprüchen gerecht, die wir klar formuliert und mit der Gestaltung des Kaders im Sommer deutlich untermauert haben“, wird Lutz Munack, Geschäftsführer Sport und Präsidiumsmitglied, in der Pressemitteilung Unions zitiert.
Hofschneider trifft gleich auf seinen früheren Chef Uwe Neuhaus
Munack und Lizenzspieler-Abteilungsleiter Helmut Schulte sollen Keller und Pedersen vor dem Training in einem kurzen Gespräch von ihrer Entlassung informiert haben. Im Anschluss verabschiedeten sich Keller und Pedersen persönlich von den Spielern. Einige sollen darüber traurig gewesen sein. Keller stand die teuerste Union-Elf der Vereinsgeschichte zur Verfügung. Dennoch beträgt der Abstand auf die direkten Aufstiegsränge derzeit schon sechs beziehungsweise fünf Zähler. Aufgeschreckt haben könnte Zingler und Co. auch die nach dem 3:3 gegen Darmstadt von Angreifer Steven Skrzybski geäußerten Wechselabsichten. Das Eigengewächs sah sich zuletzt von Keller zu Unrecht auf die Bank gesetzt.
Die Spieler wissen nun umso mehr, dass die Vereinsführung mit aller Macht nach oben will. Ob das Hofschneider gelingt, bleibt abzuwarten. Immerhin kennt er den Verein bestens. Als Interimstrainer war er der Vorgänger von Keller. In der erfolgreichen Rückrunde 2015/16 hatte er Union auf Rang sechs geführt. Inzwischen ist Hofschneider auch im Besitz der Fußballlehrerlizenz. In den letzten beiden Spielen des Jahres gegen Dynamo Dresden am Sonnabend und gegen den FC Ingolstadt am 16. Dezember muss er aber gleich liefern, wenn Union vor Weihnachten oben angreifen will.
Pikant ist, dass er am Samstag auch noch auf seinen Lehrmeister Uwe Neuhaus trifft, der seit 2015 Dresden trainiert. Beide arbeiteten bei Union zwischen 2007 und 2014 zusammen.
Für Hofschneider wird es eine große Umstellung. Am Samstag unterlag er mit der abstiegsbedrohten U 19 in der Bundesliga vor rund 100 Zuschauern am Bruno-Bürgel-Weg gegen Rasenballsport Leipzig mit 0:3.
„Die Situation ist nicht einfach, aber der Klassenerhalt ist noch möglich“, sagte Hofschneider nach der Partie auf Kunstrasen. Nun soll er mit den Profis vor über 22 000 Besuchern auf dem heiligen Rasen im Stadion An der Alten Försterei gegen Dresden die Wende in Richtung Bundesliga einleiten.