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Blindenfußball: Tore auf Zuruf

Nächste Woche startet die Bundesliga im Blindenfußball – es ist ein völlig anderes Spiel.

Der Ball rollt nicht nur, er rasselt. „Voy“, tönt es immer wieder über den Fußballplatz, wenn sich ein Abwehrspieler dem Angreifer nähert. Von außen wirft jemand kryptische Kommandos wie „10-1“ oder „Bande, links“ ein. Was wie ein verwirrendes Geräuschechaos klingt, ist ein untrügliches, weil unverzichtbares Merkmal für ein Blindenfußballspiel. An die ungewöhnliche Hintergrundkulisse wird man sich schon bald gewöhnen können: Am 29. März beginnt die erste Bundesligasaison im Blindenfußball.

Wer den Blindenfußball verstehen will, muss sich in die Welt der Geräusche vortasten. Weil die Spieler natürlich nichts sehen können, müssen sie sich mit dem Mund und den Ohren auf das gegnerische Tor zuarbeiten. „In der Ballbehandlung unterscheiden sich die Blindenfußballer kaum von sehenden. Entscheidend ist der Mut, in den freien Raum zu gehen“, berichtet Nationaltrainer Ulrich Pfisterer. Die Orientierung im Raum ohne Augenlicht ist entscheidend und erfordert besondere Fähigkeiten. „Die Spieler einer Mannschaft kommunizieren ständig“, sagt der Stuttgarter Nationalspieler Alexander Fangmann. Zudem werden von außen Kommandos gegeben.

Beim Blindenfußball spielen vier blinde Feldspieler und ein sehender Torwart. Um unterschiedliche Sehfähigkeiten zwischen den Feldspielern auszugleichen, müssen sie mit Augenbinden auflaufen. Allerdings hat es der Torwart nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. „Als Torwart ist man in seinem Bewegungsradius auf den Torraum von zwei mal fünf Metern beschränkt“, sagt Nationaltorhüter Grischa Kraus. „Zudem kann ich ja mit dem Spieler nicht über die Augen kommunizieren und ihm auch keine Ecke anbieten. Es ist daher unberechenbar, wo er hinschießt.“

Das Spielfeld im Blindenfußball ist 32 bis 42 Meter lang und 18 bis 22 Meter breit – also viel kleiner als ein reguläres –, von Banden begrenzt und in drei Zonen geteilt. Im Abwehrbereich gibt der Torwart die Anweisungen und ruft seinen Mitspielern zu, wo Gegenspieler oder Ball sich befinden. Für das Mittelfeld ist der Trainer zuständig. Zudem steht hinter dem gegnerischen Tor ein so genannter Guide, der die Angreifer durch die gegnerische Hälfte lotst. Für Außenstehende stellt sich das in einem verwirrenden Stimmengewirr dar. „Aber wir erkennen uns an den Stimmen“, sagt Fangmann. Die deutsche Nationalmannschaft hat zudem noch eine Frau als Guide, so dass diese unter den meist männlichen Stimmen hervorsticht.

Sie ruft dann Sachen wie eben „10-1“. Das heißt: noch 10 Meter bis zum Tor und noch ein Gegenspieler dazwischen. Dann wird es Zeit, „Voy“ zu rufen. Es heißt „Vorsicht, ich komme“ und stammt aus dem Spanien, weil etwa in Spanien und Mexiko schon länger Blindenfußball gespielt wird. Der Abwehrspieler muss dem gegnerischen Stürmer dieses Warnsignal geben, um Zusammenstöße und Verletzungen zu vermeiden. Nicht erlaubt ist auch das Festhalten an der Bande mit beiden Händen. Um Gesichtsverletzungen vorzubeugen, müssen die Spieler den Kopf stets hoch halten.

Der Blindenfußball steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen. 2006 stellten einen Workshop und ein Turnier in Thessaloniki zaghafte Anfänge dar. Das Interesse der blinden Sportler wurde größer, immer mehr Vereine und Blindenfußballabteilungen wurden gegründet. Um mehr Wettkampfpraxis zu erreichen und mit den anderen Fußballnationen mithalten zu können, ergriffen die Spieler die Initiative. Mit Hilfe des Deutschen Behindertensportverbands DBS, des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands, DBSV, sowie der Schirmherrschaft der Sepp-Herberger-Stiftung wurden die Grundlagen für die Ende März beginnende Blindenfußball-Bundesliga gelegt. In den ersten Saisons nehmen acht Teams teil, unter anderem eine Mannschaft des FC St. Pauli. Gespielt wird zunächst an drei Spieltagen die in Turnierform ausgetragen werden. Am ersten Spieltag, am 29. und 30. März, wird zeitgleich in Berlin und Stuttgart angepfiffen.

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