Weltmeister wechselt zu Real Madrid: Toni Kroos wird groß
Der frisch gekürte Weltmeister Toni Kroos hat sich beim deutschen Rekordmeister Bayern München ein bisschen kleiner gefühlt, als es seiner Qualität entspricht – jetzt wechselt der 24 Jahre alte Spielmacher zu Real Madrid.
Toni Kroos hat bei Bayern München bis zuletzt die Nummer 39 auf dem Rücken getragen, nicht die 10. Das sagt ein bisschen was über ihn – weil Kroos die 39 klaglos hingenommen hat und ihm die Nummer an sich weniger wichtig war als die damit verbundene Position. Noch viel mehr aber sagt es über die Bayern und ihre Sicht auf Toni Kroos.
Es ist schon ein paar Jahre her, dass Kroos die heilige 10, so etwas wie der offizielle Ausweis für die Position des Spielmachers, versprochen worden ist. Uli Hoeneß, damals noch der mächtige Manager des deutschen Rekordmeisters, hat das höchstselbst verfügt. Kroos war noch ein Teenager, sein außergewöhnliches Talent aber längst amtlich verbrieft. Mit 17 debütierte er für die Münchner in der Bundesliga – mit 24 und als frisch gekürter Fußballweltmeister verlässt er die Münchner jetzt. Für eine Ablöse zwischen 25 und 30 Millionen Euro wechselt Toni Kroos zu Real Madrid, wo er gestern einen Sechsjahresvertrag unterschrieben hat.
Es gehört zum Selbstverständnis der Bayern, ein Käuferverein zu sein, kein Verkäuferverein. Spieler, die der Klub abgibt, sind in der Regel Spieler, die der Klub nicht mehr braucht, Leute wie Thomas Kastenmaier, Andreas Ottl oder Thomas Kraft. Toni Kroos passt nicht in diese Reihe und irgendwie doch.
Natürlich ärgern sich die Münchner jetzt, dass sie einen Spieler verlieren, der nicht nur gerade Weltmeister geworden ist, sondern der in Brasilien auch noch eine tragende Rolle eingenommen hat. Als „der Herr des Balles“ hat ihn die spanische Sportzeitung „Marca“ bezeichnet. Zum ersten Mal durfte sich Kroos bei einem großen Turnier als Stammspieler fühlen. In allen sieben Spielen stand er in der Startelf, vier Tore hat der Münchner bei der WM vorbereitet, zwei selbst geschossen. Vor allem sein Auftritt im Halbfinale gegen Brasilien (7:1) hat das Publikum verzückt, als Kroos innerhalb von 70 Sekunden zwei Tore erzielte.
Das ist das Los eines Spielers, der aus der eigenen Jugend stammt
Dass die starken Auftritte in Brasilien ein starkes Interesse an Kroos auslösen würden, war abzusehen. Und trotzdem wäre es für die Bayern vermutlich ein Leichtes gewesen, den Wechsel des Nationalspielers nach Madrid zu verhindern. Dass die Personalie Kroos im Verein nicht mit höchster Priorität behandelt wurde, ist jedenfalls kein Versehen gewesen. Die Bayern wussten, was sie taten – wahrscheinlich auch, weil sie den Wert des Mittelfeldspielers unterschätzt haben. Das ist das Los eines Spielers, der aus der eigenen Jugend stammt und dem naturgemäß nicht die Achtung entgegengebracht wird wie einem internationalen Topstar, der für teures Geld verpflichtet wurde.
Das Szenario im Fall Kroos erinnert ein wenig an Michael Ballack und seinen Wechsel von den Bayern zum FC Chelsea unmittelbar nach der WM 2006. Auch da fühlten sich die Münchner ihrer Sache ein bisschen zu sicher. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge würdigte Ballack, den Kapitän der Nationalmannschaft, zum Abschied mit den Worten: „Stefan Effenberg war ein Stratege, eine große Führungskraft auf dem Platz. Ballack wird dafür stehen, dass er der kopfballgefährlichste Mittelfeldspieler ist oder war, der je beim FC Bayern gespielt hat.“ Der herausragende deutsche Fußballer in der ersten Dekade dieses Jahrtausends nicht mehr als ein passabler Kopfballspieler?
Kroos wird vom selben Berater betreut wie Mario Götze
Die Bayern vertragen es einfach nicht, wenn man ihre Liebe nicht oder nicht mehr erwidert. Nachdem Ballack mit der Vertragsunterschrift für ihren Geschmack ein wenig zu lange gezögert hatte, verkündete Rummenigge bei der Mitgliederversammlung, man habe das Vertragsangebot zurückgezogen. Der Saal tobte – vor Freude. Das Szenario hat sich jetzt so ähnlich wiederholt. Auch bei Toni Kroos gaben die Bayern bekannt, dass sie ihr Angebot zur Vertragsverlängerung zurückgezogen hätten, woraufhin Kroos spitz fragte, wie man denn ein Angebot zurückziehen könne, das er längst abgelehnt habe.
Kroos wird vom selben Berater betreut wie Mario Götze. Von daher weiß er ungefähr, auf welchem Niveau sich die Spitzengehälter bei den Bayern bewegen. Das letzte Angebot der Münchner war davon noch weit entfernt. Bei Real wird er nun in die Götzesche Gehaltsklasse vorstoßen. Kein Wunder: Bei Real ist er auch nicht der Junge, der es aus dem eigenen Nachwuchs zu den Profis geschafft hat; bei Real ist er der Weltmeister, der einen zweistelligen Millionenbetrag gekostet hat.