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Timo Boll, 37, spielt für den deutschen Rekordmeister Borussia Düsseldorf in der Tischtennis-Bundesliga. Im März dieses Jahres wurde er der bislang älteste Weltranglistenerste.
© dpa

Der Tischtennis-Europameister im Interview: Timo Boll: "In meinem Alter kannst du nur noch hoffen"

Timo Boll über seine Erfolge mit 37 Jahren, sein Fitnessprogramm und Tischtennis-Wunderkinder aus Asien.

Herr Boll, lassen Sie uns auf Ihr Sportjahr 2018 zurückschauen. Im September sind Sie in Alicante erneut Europameister geworden. Im Alter von 37 Jahren, das hat keiner vor Ihnen geschafft. War das Ihr persönlicher Top-Moment des Jahres?

Der Titel hat mich selbst am meisten überrascht. Nach den ersten Trainingseinheiten dachte ich, das fühlt sich nicht gut an. Ich habe mich über jede einzelne Runde gefreut. Die Gegner wurden immer einen Tick besser, ich aber auch. Das war eine Energieleistung. Aber der Höhepunkt war für mich ein anderer.

Als Sie im März als ältester Spieler überhaupt noch einmal Nummer eins der Weltrangliste wurden?

Auch das hat mich überrascht – und war ein erhebendes Gefühl. Dimitrij Ovtcharov hatte es mir vorab gesagt, er kennt das Punktesystem in- und auswendig und rechnet alles durch. Ich habe vom neuen System profitiert, weil ich viel und gut gespielt habe. Aber beim Top-Moment des Jahres denke ich an ein bestimmtes Spiel.

Erzählen Sie bitte!

Der Sieg beim Weltcup in Paris im Spiel gegen Harimoto.

Der Japaner Tomokazu Harimoto wird von vielen Experten als Wunderkind des Tischtennis gesehen und ist fast 22 Jahre jünger als Sie.

Da war ich extrem zufrieden, das war mein bestes Spiel in diesem Jahr. Ich war richtig heiß, habe gedacht: Wenn du gegen ihn noch mal gewinnen kannst, dann heute. Ich habe mich so gut bewegt, so gut die Bälle vorausgesehen – alles hat funktioniert. Ich war einfach im Flow.

Sie sind in Paris ins Finale eingezogen, dazu der EM-Titel, die Spitze der Weltrangliste – wäre überhaupt mehr gegangen?

Das Jahr lief richtig gut. Obwohl ich im Sommer einen Bandscheibenvorfall hatte und ohne großes Training in die Saison gegangen bin. Danach hatte ich durch Fehlbelastungen immer mal wieder Probleme. Das zog sich durch den ganzen Körper. Zuletzt kam eine Bronchitis dazu. Aber ich habe das gut kaschiert. Ich habe mich in den letzten Jahren sehr weiterentwickelt: Spiel, Taktik, Ausrichtung, Erfahrung, Cleverness. Dadurch kann ich ausgleichen, dass ich nicht mehr die Athletik wie vor zehn Jahren habe. Beim World-Tour-Finale…

…wo Sie vor Weihnachten in Südkorea in der ersten Runde ausgeschieden sind…

War ich trotz der Niederlage eher dankbar, dass ich noch auf dem Niveau spielen kann. Ich war erstmals seit Wochen schmerzfrei, konnte mich frei bewegen. Das hat mich positiv gestimmt.

Derzeit haben Sie ein paar Tage frei?

Pausen sind wichtig, gerade für einen älteren Spieler wie mich. Sonst habe ich immer durchtrainiert, weil wir Anfang des Jahres das Pokalfinale mit Borussia Düsseldorf hatten. Diesmal sind wir ausgeschieden. Was für mich zumindest in der Hinsicht ein Vorteil ist, dass ich eine Woche den Schläger weglegen kann.

Eine ganze Woche ohne Tischtennis?

Jedenfalls ohne Schläger. Ich habe im Training ohnehin einiges umgestellt.

In welcher Hinsicht?

Früher habe ich 80 Prozent im Tischtennisbereich trainiert und 20 Prozent Athletik. Heute ist es halbe halbe. Ich habe mit meinem Arzt einen Weg gefunden, dass ich nur noch das Wichtige mache. Gute Athletik ist die Grundvoraussetzung. Wenn ich mich am Tisch nicht richtig bewegen könnte, hätte ich keine Chance.

"Irgendwann muss ich auf meinen Körper hören" – Timo Boll über sein Karriereende

Sie haben letztens gesagt, dass ihre Trainingsgruppe manchmal lacht, weil Sie das Training so früh beenden.

Oft hören die anderen aber auch mit mir auf. Das Training ist immer noch sehr intensiv, nur eben kürzer.

Bundestrainer Jörg Roßkopf fragt sich laut eigener Aussage manchmal, wofür Sie ihn noch brauchen. Ihnen müsse man nicht viel helfen.

Taktisch habe ich mein System so perfektioniert, dass ich weiß, welche Optionen ich im Ballwechsel habe. So bin ich immer einen Schritt voraus. Aber es gibt clevere Spieler, die sind ähnlich strukturiert. Dann ist es hilfreich, einen Tipp von außen von jemandem zu bekommen, dem man vertraut.

Nach dem EM-Titel sagten Sie, dass Sie eigentlich in Alicante auch was von der Stadt sehen wollten, aber dann keine Zeit hatten, weil das Turnier viel besser lief als gedacht. Und dass Sie nun vielleicht im Urlaub noch einmal wiederkommen. Schon im Jahr 2019?

Im nächsten Jahr wird kaum Zeit für Urlaub sein. Bei der WM geht es um hartes Edelmetall. Und bei den Europaspielen schon um Olympia 2020. Ein gutes Ergebnis wäre wichtig, um mir den Umweg über weitere Qualifikationen zu ersparen. Das würde mich, meine Familie und den Deutschen Tischtennis-Bund freuen. Wenn ich fit bleibe, kann ich das gut schaffen. Doch das ist alles nicht mehr selbstverständlich. In meinem Alter kannst du nur noch hoffen. Da bist du immer am körperlichen Limit.

Die deutschen Meisterschaften waren für Sie stets ein fester Termin, auch diesmal im März in Wetzlar?

Für mich war die Teilnahme eine Art Ehrenkodex. Es ist eine schöne Veranstaltung und ich habe gespürt, dass die Leute dankbar sind, wenn ich dabei bin. Es könnte aber sein, dass ich in Wetzlar zum letzten Mal dabei bin.

Um die Belastung zu minimieren?

Irgendwann muss ich auf meinen Körper hören. Durch das neue System der Weltrangliste sind wir noch mehr gezwungen, international zu spielen. Ich würde unheimlich gern jedes Wochenende irgendwo teilnehmen, aber das schaffe ich nicht mehr.

Ihr Vertrag bei Borussia Düsseldorf läuft bis 2022. So lange spielen Sie noch weiter?

Unbedingt. Ich habe es schon die letzten Jahre kaum mehr für möglich gehalten, auf diesem Niveau zu spielen. Aber es ging. Ich spiele immer noch sehr gern. Ich habe mein ganzes Leben nichts anderes gemacht. Der Gedanke, das nicht mehr tun zu können, macht mir ein bisschen Angst. Natürlich würde ich die Tage auch so rumkriegen, aber den Sport, die Wettkämpfe, die Routine würde ich vermissen.

Sebastian Schlichting

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