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Notbremse nach Desaster: Bielefeld entlässt Frontzeck
© dpa

Frontzeck-Entlassung: Timing à la Bielefeld

Einen Spieltag vor Schluss entlässt die Arminia Trainer Michael Frontzeck – so etwas gab es zuletzt 1967. Während die Macher nach einer Aushilfe suchen, ist bei Frontzeck schon Realismus eingekehrt.

Ernst und gefasst schaute Michael Frontzeck in die Runde, nachdem seine Mannschaft in Dortmund ein Debakel erlebt hatte. Der Blick des Bielefelder Trainers zeigte viel trotzige Entschlossenheit. Es gelte nun, das traumatische Erlebnis so schnell wie möglich zu verarbeiten.,Wir müssen jetzt alle Energie in das letzte Spiel legen“, sagte Frontzeck. Im Auditorium lauschten Hans-Hermann Schwick und Roland Kentsch seinen Ausführungen. Sie standen nur wenige Meter von Frontzeck entfernt und doch waren sie ganz weit weg von ihm.

Zu diesem Zeitpunkt konnte der ehemalige Nationalspieler noch nicht ahnen, wie weit Bielefelds Präsident und sein Geschäftsführer bereits auf Distanz zu ihrem Trainer gegangen waren. Er werde sich am Abend mit einem Glas Rotwein zurückziehen und die prekäre Lage überdenken, sagte Schwick. Und Kentsch verkündete, man werde am kommenden Tag „nach bestem Wissen und Gewissen“ eine Entscheidung treffen. Die kam dann auch und war nicht unerwartet: Vor der sonntäglichen Trainingseinheit teilte die Arminia mit, Michael Frontzeck sei von seinen Aufgaben entbunden worden. Beim überlebenswichtigen letzten Saisonspiel gegen Hannover 96 wird ein neuer Mann auf der Bank der Arminia sitzen, den die Entscheidungsträger noch nicht präsentiert haben. Dass weder Schwick noch Kentsch bei der Verkündung anwesend waren, gehört zu den Merkwürdigkeiten einer an Merkwürdigkeiten reichen Trainerentlassung.

Nachdem Frontzeck in Dortmund mit der sich anbahnenden Demission konfrontiert worden war, hatte er noch ungläubig gestaunt und gesagt, so etwas hätte „wohl eine besondere Note nach dem 33. Spieltag“. Nun ist es tatsächlich so gekommen, Bielefelds Timing ergibt ein reichlich skurriles Bild. So etwas hat es zuletzt vor 42 Jahren gegeben, also in der Steinzeit der Bundesliga. Am Ende der Saison 1966/67 feuerte Rot-Weiß Essen Fritz Pliska einen Spieltag vor Saisonschluss – der Revierklub war bereits abgestiegen. Nun muss Frontzeck vorzeitig für die Fehler einer Saison büßen, die in einem Debakel in Dortmund mündeten.

Nach ansehnlicher erster Hälfte hatten sich die Bielefelder vor 80 000 Zuschauern im zweiten Durchgang nach allen Regeln der Kunst demontieren lassen. Das 0:6 war so deftig, dass Kentsch nach Spielschluss das Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand: „So etwas habe ich in dieser Form noch nicht erlebt.“ Mit jeder Minute, die das Desaster dauerte, muss das Vertrauen in die Fähigkeiten des Trainers nachgelassen haben. „Wir haben diese Maßnahme ergriffen, um die Mannschaft noch mehr in die Pflicht zu nehmen“, sagte Sportdirektor Detlev Dammeier gestern.

Mit Frontzecks Entlassung wiederholte sich Bielefelder Fußball-Geschichte: Frontzecks Vorgänger Ernst Middendorp war nach einem 1:6 in Dortmund entlassen worden; damals hatte Dammeier für ein Spiel übernommen – bevor Frontzeck kam. Die positive Erfahrung mit dem Aushilfstrainer Dammeier macht ihn nun zum aussichtsreichsten Trainer-Kandidaten für das nächste Spiel. Und während die Macher nach einer Aushilfe suchen, ist bei Frontzeck schon Realismus eingekehrt: „Natürlich bin ich traurig, kann die Entscheidung aber nachvollziehen. Schade, dass wir den Weg nicht gemeinsam zu Ende gehen können.“

Ein müdes, letztes Pünktchen gegen den FC Arsenal, dann war klar: Für die Konkurrenz bleibt die Lage erst einmal aussichtslos. Nein, er denke gar nicht daran, aufzuhören, sagte Manchester-United-Trainer Sir Alex Ferguson nach dem 0:0, das die dritte Meisterschaft in Folge besiegelte. Er könne sich vorstellen, noch „fünf weitere Jahre“ Trophäen zu sammeln. Mit dem 18. Ligatitel hat Manchester nun schon mit dem Erzrivalen von der Mersey, dem FC Liverpool, gleichgezogen. Die Möglichkeit, alleiniger Rekordmeister zu werden, lässt Fergusons Ehrgeiz auch nach elf Meisterschaften seit seiner Amtsübernahme vor 23 Jahren fast grenzenlos erscheinen. In neun Tagen kann Manchester die Saison mit einem Sieg im Champions-League-Finale in Rom krönen.

In der 1992 neu formierten Premier League tritt man sowieso nur noch gegen sich selbst an. Drei Meisterschaften in Folge hat zuvor nur ein Verein geschafft: Manchester United (1999-2001). Auf seiner Jagd nach Rekorden hat der Klub auch ein paar Stammtischweisheiten entsorgt. Spitzenspiele entscheiden über Titel? Eher nicht: United gewann nur eines von sechs Duellen mit Arsenal, Chelsea und Liverpool. „Never change a winning team?“ Ferguson stellte im 66. Saisonspiel am Samstag zum 66. Mal eine andere Elf auf den Platz.

Die teuer und intelligent zusammengestellte Equipe vereinte jugendliche Frische mit Erfahrung, die Spieler wie Paul Scholes und Ryan Giggs repräsentieren. Und auch in taktischer Hinsicht stimmte stets die Balance. Dieses Jahr gewann man die Spiele überwiegend nicht mit Brillanz, sondern aus Gewohnheit. Ferguson nannte ein hart umkämpftes 1:0 beim Aufsteiger Stoke City am zweiten Weihnachtsfeiertag den „Wendepunkt“. United war ohne den schwach in die Saison gestarteten Cristiano Ronaldo lange hinterhergehechelt, bevor es mit einer Serie von 14 Spielen ohne Gegentore die Tabellenspitze übernahm.

Bemerkenswerterweise fällt Uniteds neuerliche Dominanz mit der Übernahme durch die Glazer-Familie im Sommer 2005 zusammen. Die Amerikaner stottern mit den Umsätzen des Vereins ungeniert die Bankdarlehen für den Kauf ab; von dem gern zitierten „Finanzdoping“ kann also trotz einer Schuldenlast von gut 800 Millionen Euro keine Rede sein. Der Klub, der im vergangenen Jahr im operativen Geschäft 90 Millionen Euro Gewinn erzielte und einen Großteil davon für die Zinstilgung aufwenden müsste, könnte ohne die Glazers noch viel bessere, teurere Spieler verpflichten. „Wir machen uns oft das Leben selbst am schwersten", hat Ferguson einst gesagt. Selbst Investoren, die gar nichts investieren, können seinen Weg in die fußballerische Ewigkeit nicht aufhalten.

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