Sport: Tiefer geht’s nicht
Hertha verliert auch mit Trainer Hans Meyer: Nach dem 0:4 in Bremen sind die Berliner Tabellenletzter
Bremen. Es wird sein Geheimnis bleiben, was Marcelinho sich gestern in der 17. Spielminute im Bremer Weserstadion gedacht hat. Herthas Spielmacher befand sich gerade auf Höhe der Mittellinie, den Ball am Fuß, als er schließlich den „tödlichen Pass“ spielte. Einen Pass also, der so gut ist, dass er quasi zum Torerfolg führen muss. Allerdings spielte Marcelinho diesen Pass nicht vor das Tor des Gegners, sondern als verhinderte Rückgabe zum eigenen Torwart. Bremens Torjäger Ailton sprintete dazwischen und erzielte das 1:0 für den Titelanwärter. Danach brach Hertha zusammen. Am Ende hieß es 4:0 (3:0) vor 36 000 Zuschauern zwischen Bremen und Hertha. Der SV Werder bleibt an der Tabellenspitze. Die Berliner aber verloren ihr erstes Punktspiel unter Trainer Hans Meyer und finden sich nun am Tabellenende wieder.
Marcelinho pflegt eine ganz besondere Freundschaft zu seinem brasilianischen Landsmann Ailton. Beide Spieler kennen sich seit Jahren, besuchen sich regelmäßig und wohnen in ihrer Heimat nur 50 Kilometer voneinander entfernt. Dass aber Marcelinho seinem Kumpel „Toni“ einmal zum Torschuss auflegen würde, überstieg bisher die Vorstellungskraft. Egal, Ailton bedankte sich für diesen Freundschaftsdienst mit seinem 17. Saisontor. Und der Bremer Trainer Thomas Schaaf fand: „Nach dem 1:0 lief es bei uns rund.“
Hans Meyer sprach hinterher von einem „Selbsttor“ und war „enttäuscht, dass wir nach der guten Startphase so auseinander gebrochen sind“. Tatsächlich hatte Hertha ordentlich begonnen. Meyer vertraute in Bremen der Mannschaft, die sich in den vergangenen Tagen herauskristallisiert hatte – also mit den jungen Spielern Mladenow, Madlung und Fathi. In der dritten Minute hätte Hertha sogar in Führung gehen können. Mladenow hatte Marcelinho freigespielt, doch der Brasilianer scheiterte mit seinem Schuss an Bremens Torwart Reinke. Das war es dann aber schon an offensivem Drang der Berliner. Wenigstens hielten sie beim Spitzenteam der Vorrunde ein Unentschieden. Mit Marcelinhos Fehlpass aber kippte das Spiel. Danach musste man sogar befürchten, dass es die Berliner erwischen würde wie im vergangenen Dezember. Da unterlag Hertha dem SV Werder im DFB-Pokal 1:6. Wie damals hieß es bei Halbzeit 3:0 für den Favoriten. Wieder Ailton und der Franzose Micoud hatten bis zum Pausenpfiff getroffen.
Hertha war geschlagen. Niemand im Team der Berliner wehrte sich, die Mannschaft verfiel wieder in alte Fehler. „Das war der Herbst in Reinkultur“, sagte Meyer und erinnerte an Herthas schlimme Phase der hohen Niederlagen. Auch in Bremen wirkten die Spieler geschockt. Widerstandslos ergaben sich die Profis ihrem Schicksal. „Nach der Bremer Führung hat die Mannschaft gespielt, als wenn sie vier Wochen nicht trainiert hätte“, sagte Meyer hinterher.
Herthas Trainer reagierte. Kapitän Dick van Burik war verletzt, für ihn kam Josip Simunic. Kurz darauf tauschte Meyer den defensiven Mittelfeldspieler Pal Dardai gegen den offensiven Alexandar Mladenow ein. Es ging nur noch darum, den Schaden zu begrenzen. Und tatsächlich: Das Spiel der Berliner beruhigte sich etwas. Aber Torgefahr konnten sie nicht entwickeln. Und das, obwohl dem Tabellenführer zwei defensive Stammspieler (Baumann und Krstajic) fehlten. Meyers Vorhaben, über die Außenbahnen Bremen in Schwierigkeiten zu bringen, war beizeiten gescheitert. Sowohl Mladenow (links) als auch Karwan (rechts) brachten nichts Konstruktives vors Bremer Tor, sodass auch Fredi Bobic wirkungslos blieb.
Der Höhepunkt der zweiten Halbzeit war kein Torschuss, sondern eine Szene am Spielfeldrand. Der Bremer Trainer Schaaf nahm den zweifachen Torschützen Ailton zwanzig Minuten vor dem Ende vom Platz. Er wollte seinen Toptorjäger für höhere Aufgaben schonen. Für den Brasilianer kam der junge Valdez. Und der hielt sich nicht ans bloße Verwalten des Vorsprungs. Der Paraguayer schoss einfach auf das Berliner Tor – und traf in der letzten Minute zum 4:0. Es war ein Beinschuss gegen Fiedler, der bei den ersten drei Gegentoren machtlos war.
Fredi Bobic verließ den Platz mit hängendem Kopf und stellte sich den Fragen. Der Torjäger ohne Tore flüchtete sich in Sarkasmus: „Vor ein paar Monaten hätten wir das Spiel sieben oder acht zu null verloren.“
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