Eine Ära bei Werder Bremen: Thomas Schaaf - Der Herr der Dinge
Maulfaul, aber lange Zeit erfolgreich. 14 Jahre und sieben Tage war Thomas Schaaf Trainer des SV Werder Bremen. Jetzt wird er nicht mehr gebraucht.
Man weiß nicht genau, was Thomas Schaaf am gestrigen Mittwochmorgen gemacht hat. Ob er sich aus lauter Gewohnheit in seinen Dienstwagen gesetzt hat, um sich auf den Weg zu machen Richtung Weserstadion? Dass man das gerade heute nicht weiß, hat damit zu tun, dass Schaaf das 14 Jahre und sieben Tage lang so gehalten und fast nichts anderes gemacht hat, aber seit gestern nicht mehr. Da trennte sich Werder Bremen – wie es hieß – in beiderseitigem Einvernehmen von dem dienstältesten Trainer der Bundesliga.
Am 9. Mai 1999 hatte im Hause Schaaf das Telefon geklingelt. Der damalige Vizepräsident Klaus-Dieter Fischer war in der Leitung. Der Verein hatte soeben das Missverständnis Felix Magath beendet und musste handeln. Werder steckte im Abstiegskampf. Schaaf, damals Nachwuchstrainer, sagte spontan zu. Weniger weil er glaubte, sich dadurch als Bundesligatrainer zu etablieren. Eher aus Dankbarkeit dem Verein gegenüber, für den er als Elfjähriger erstmals gespielt hatte. Denn Schaaf wusste: Würde er scheitern, wäre es seiner Karriere nicht unbedingt zuträglich. Er sagte damals sogar den bemerkenswerten Satz: „Im Grunde habe ich heute meine Entlassung unterschrieben.“ Er scheiterte nicht, und es sollte 14 Jahre dauern bis zu seiner Entlassung.
Schaaf schaffte 1999 nicht nur den Klassenerhalt, er gewann wenige Wochen später das DFB-Pokalfinale gegen Bayern München. Der damals 38-Jährige war zunächst als Interimscoach installiert worden. Doch noch in der Nacht des Finales wurde sein Kumpel, Werders Mittelfeldspieler Dieter Eilts, beim Präsidium vorstellig und drohte: „Entweder Schaaf bleibt Trainer, oder ich höre auf.“ Schaaf blieb, und langsam aber sicher wurde Werder unter ihm wieder das, was der Klub bereits unter seinem Lehrmeister Otto Rehhagel war: ein Spitzenklub.
Das hatte viel mit Schaaf zu tun, aber auch mit seinem kongenialen Partner, Sportdirektor Klaus Allofs.
Schaaf und Allofs galten als Traumpaar. Sie formten eine Mannschaft, die zwar ein wenig Anlauf brauchte, aber dann 2004 das Double holte. Unter anderem hatte der Trainer einen kleinen und angeblich kugelrunden Brasilianer namens Ailton zum Superstar gemacht. Der Trainer galt als Spielerversteher. „Ich habe keine Kurse belegt, aber es ist doch klar, dass man nicht alle über einen Kamm scheren kann. Das gibt einem doch das Leben vor“, sagte er.
Bei Ailton war Schaaf als Pädagoge gefragt
Bei Ailton war Schaaf besonders als Pädagoge gefragt. In einem Interview zog er einmal den Vergleich zu einem Kind, das man nicht einfach so bestrafen könne, wenn es Mist gebaut hätte. Man müsse diesem Kind helfen, erklärte er. Wie er Ailton denn helfen würde, sollte Schaaf dann noch verraten. Grinsend sagte der Coach: „Indem ich ihn bestrafe.“
Schaaf galt vielen als dröge und maulfaul, aber dieser trockene Humor hat ihn stets ausgezeichnet.
Vor allem aber entwickelte er gemeinsam mit Allofs eine Spielphilosophie, die sogar Vergleiche zum FC Barcelona zuließ. So schnell, so dominant, so spektakulär spielte Werder unter Schaaf. Sieben Mal führte er sein Team in die Champions League. Schaaf hatte einst den Satz gesagt: „Ich definiere mich nicht über Titel.“ Aber wer ihn kennt, der weiß, wie ehrgeizig er ist und wie sehr es ihn geschmerzt hat, 2009 das Finale des Uefa-Cups verloren zu haben. Und dann weiß man erst recht, wie sehr er gelitten hat, seit es mit Werder vor drei Jahren eigentlich nur noch bergab ging. Schaaf alterte in wenigen Monaten während des Abstiegskampfs in der Saison 2010/11 um Jahre. Er wurde dünnhäutiger, noch wortkarger als ohnehin schon. Und wenn er sprach, dann sagte er eigentlich immer dasselbe.
Weil er so oft davon sprach, die „Dinge“ zu verändern oder die „Dinge“ zu verbessern, nannte man ihn bald spöttisch den „Herrn der Dinge“.
Die Mannschaft macht die „Dinge“ schon seit Jahren nicht mehr gut. Verantwortlich war zum Großteil der Trainer, der zwar nach wie vor akribisch arbeitete, aber seinem Team keine neuen Impulse mehr geben konnte. Verantwortlich war aber auch Klaus Allofs, der zuletzt arg danebenlag mit seiner Personalpolitik und sich schließlich im Abstiegskampf in Richtung Wolfsburg verabschiedete. Das wäre für Schaaf nie infrage gekommen.
Jetzt wird er nicht mehr gebraucht in Bremen, obwohl er am vergangenen Wochenende den Abstieg verhinderte.
Zwei spannende Fragen ergeben sich aus der Trennung: Kann Schaaf auch etwas anderes als Werder? Und wer, bitteschön, soll auf diesen Trainer in Bremen folgen?