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Zwei Höllenhunde auf dem Weg zum Himmel. Severin Freund (l.) und Peter Prevc sind sich erstaunlich ähnlich. Foto: dpa/Karmann
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Vierschanzentournee: Tag der Entscheidung in Bischofshofen

Peter Prevc und Severin Freund machen am Mittwochabend den Sieg bei der Vierschanzentournee unter sich aus - der Slowene geht mit großem Vorsprung in den letzten Wettkampftag.

Von Johannes Nedo

Zu markigen Ankündigungen kann sich Severin Freund einfach nicht durchringen. Dafür ist er zu sehr Realist, und er kommt aus seiner Haut eben nicht raus. An diesem Mittwoch steht in Bischofshofen (17 Uhr/ARD und Eurosport) das entscheidende Duell der Vierschanzentournee an. Beim letzten Springen kommt es zum großen Zweikampf um den Tournee-Sieg. Severin Freund gegen Peter Prevc. Doch der Bayer versucht schon vorab, die große Dramatik aus dem Duell herauszunehmen. Am Dienstag verzichtete er sogar auf das Training und die Qualifikation – allerdings vor allem auch wegen der Nachwirkungen seines Trainingssturzes von Innsbruck. Prevc wurde in der Qualifikation Zweiter hinter dem Norweger Kenneth Gangnes.

19,7 Punkte liegt Freund in der Gesamtwertung als Zweiter hinter dem Slowenen. Prevc’ Vorsprung sei „zu komfortabel“, sagt er. „Angreifen werde ich immer, aber mir geht es jetzt vor allem darum, einen guten Wettkampf zu zeigen.“ Freund will sich nicht künstlich starkreden. Stattdessen hebt er die Stärken seines Gegners hervor: „Er kann in jedem Wettkampf alles rausholen“, betont der 27-Jährige. Auch Prevc hält sich mit großen Worten, er sei schon der sichere Sieger, zurück. Lieber lobt er ebenfalls seinen Konkurrenten. „Severin strebt immer nach Perfektion“, sagt der 23-Jährige. „Er versucht immer, alles unter Kontrolle zu haben.“

Vom zuvorkommenden, freundlichen Charakter ähneln sich die beiden also. Und nicht nur da. „Wir sind eher die ruhigeren Typen“, sagt Freund. Doch es gibt noch mehr Parallelen. Etwa beim Sprungstil. Mit ihren Flugsystemen dominieren die beiden die Konkurrenz. So schaffen es Freund und Prevc am schnellsten, nach dem Absprung in die Flugphase zu kommen. Wobei der Slowene in diesen Schlüsselmomenten des Übergangs derzeit noch besser ist als Freund. Auch bei der Anfahrt erreicht er das schnellste Tempo. Zudem muss Prevc’ Sprunggelenk mit Extrakräften ausgestattet sein. Als einer der wenigen Athleten verzichtet er auf stabilisierende Keile in den Skisprung-Schuhen, trotzdem gelingt es ihm, die Skier in der Luft extrem nah an den Körper zu ziehen.

Doch diese überlegene Position musste sich Prevc lange erarbeiten, wie Freund feierte er nicht sofort die großen Erfolge. Es ging langsam, aber stetig voran. Und ähnlich wie Freund muss er sich immer mit den riesigen Fußstapfen seines Vorgängers auseinandersetzen. Wird der Münchner mit Schmitt und Sven Hannawald verglichen, ist es für Prevc das slowenische Idol Primoz Peterka. 1997 gewann Peterka als erster Skispringer seines Landes die Vierschanzentournee, zweimal triumphierte er im Gesamtweltcup. Doch Peterka ist für Prevc auch eine Warnung. Denn er konnte mit seinem Heldenstatus nicht umgehen, hatte Alkoholprobleme und musste sich in psychiatrische Behandlung begeben. Vielleicht ist Prevc auch deshalb oft so verschlossen und zurückhaltend.

„Alles kann sich ganz schnell verändern“, sagt der schmächtige Slowene mit Blick auf die Gesamtwertung – und verweist auf seinen Sprung im Probedurchgang in Innsbruck. Da unterlief ihm ein kleiner Fehler beim Absprung und schon landete er nur bei 115 Metern, 14 Meter weniger als Freunds Trainingsweite. Sollte sich Ähnliches in Bischofshofen wiederholen, würde Freund seinen Rückstand in der Tourneewertung aufholen.

In den vergangenen Jahren haben sich beide bereits einige Duelle geliefert. Auch da gewann die wichtigen stets Freund. 2014 wurde er Olympiasieger mit der Mannschaft und gewann den Einzel-Titel bei der Skiflug-WM, 2015 wurde er Weltmeister im Einzel von der Großschanze und mit dem Mixed-Team. Hinzu kam der knappe Sieg im Duell im Gesamtweltcup in der vergangenen Saison. Prevc hingegen besitzt noch keine Goldmedaille, auch bei einer WM ist sein bester Platz bislang der zweite (2013 in Val di Fiemme).

Doch dieses Mal sind die Vorzeichen anders. Prevc lässt sich derzeit offenbar von nichts aus der Bahn werfen. Selbst eine Erkältung, die er sich in Garmisch-Partenkirchen zugezogen hatte, stoppte ihn nicht. „Ich bin einfach in einen Laden gegangen und habe mir Orangen und Zitronen gekauft – wegen der Vitamine“, sagt Prevc. Freunds Realismus scheint in puncto Vorentscheidung also wirklich angebracht.

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