Spielen oder nicht spielen?: Streit um Unterstützung der Black-Lives-Matter-Bewegung in der NBA
Kyrie Irving, Vize der NBA-Spielergewerkschaft, möchte nicht weiterspielen. Superstar LeBron James will hingegen weitermachen - und so seine Stimme nutzen.
Wie weit die USA derzeit von der Normalität entfernt sind, zeigt sich auch daran, dass dort kein Profi-Sport stattfindet. Kein Basketball, kein Baseball, kein Eishockey, kein Football. Die großen Ligen zu verfolgen, ist eigentlich fester Bestandteil des Alltags vieler US-Amerikaner. Doch all das rückt derzeit in den Hintergrund, nicht nur angesichts des Coronavirus – sondern auch wegen der Anti-Rassismus-Proteste.
Das Land ist in Aufruhr. Und da verkaufen es Präsident Donald Trump sowie die Chefs der Basketballliga NBA eigentlich als Schritt hin zu ruhigeren Zeiten, dass die NBA eigentlich demnächst wieder ihre Spiele aufnehmen soll. Seit Mitte März ruht wegen der Coronavirus-Krise der Betrieb, ab Ende Juli will die Liga in Disney World in Orlando ihre Saison mit einem großen Turnier beenden. Aber jetzt regt sich Widerstand gegen die Fortsetzung. Der Grund: Die Black-Lives-Matter-Proteste.
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In der vergangenen Woche hatten sich etwa 80 NBA-Spieler zu einer Telefonkonferenz zusammengeschaltet, angeführt vom Spieler der Brooklyn Nets, Kyrie Irving, der auch Vize-Präsident der Gewerkschaft der NBA-Spieler ist. Das berichtet die Sport-Webseite „The Athletic“. Irvings Position war eindeutig: Er will durch ein Fortsetzen der Saison nicht die Aufmerksamkeit von den dringenden Anliegen der Bewegung wegnehmen, die sich in der Folge des Todes von George Floyd gebildet hat und die USA in Atem hält.
"Ich habe keine Lust auf systematischen Rassismus"
„Ich unterstütze es nicht, dass wir nach Orlando gehen. Ich habe keine Lust auf systematischen Rassismus und diesen Mist. Irgendwas ist hier ein bisschen faul“, sagte Irving nach Angaben von „The Athletic“ während der Telefonschalte. Auch die monatelange Isolation der Spieler in Orlando, getrennt von Familien und Freunden, sowie die Sorge um das Coronavirus, das ja in den USA immer noch wütet, sollen Thema bei der virtuellen Runde gewesen sein. Das NBA-Turnier soll bis Oktober laufen, Spieler und Stab müssten bis dahin in Corona-Quarantäne bleiben.
Aber Irving ist mit seiner Haltung, NBA-Spiele abzusagen, um den Protesten weiterhin Raum zu geben, bei weitem nicht alleine. Mehrere Spieler schlossen sich ihm an. Lou Williams von den Los Angeles Clippers schrieb auf Twitter: „Wenn wir heute ein Spiel hätten und ihr würdet einen Protest verlassen, um das zu gucken – das wäre eine Ablenkung.“ Und auch Dwight Howard, Center bei den Los Angeles Lakers, sieht derzeit keine Veranlassung, die Liga fortzusetzen. „Ich stimme Kyrie zu“, sagte er zu CNN. „Die Geschlossenheit meiner Leute wäre größer als die Meisterschaft. Kein Basketball, bis wir die Dinge geklärt haben.“
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Bei den Lakers jedoch spielt auch einer, der diese Haltung anscheinend nicht vertritt – und eine gewichtige Stimme in der NBA hat: Superstar LeBron James. James war nicht bei der Telefonrunde dabei – und nach Angaben von „The Athletic“ will er die Liga fortsetzen und in Orlando spielen. Dahinter steht nach Angaben des Portals auch die Haltung, dass er sowohl spielen als auch eine starke Stimme zur Unterstützung der Black-Lives-Matter-Bewegung sein will.
Le Bron James hat schon immer seine Stimme erhoben
Tatsächlich hat James immer seine Stimme erhoben und dabei weiter Basketball gespielt. Schon als der Football-Quarterback Colin Kaepernick angefeindet wurde, weil er sich vor Spielen hinkniete, um gegen Polizeigewalt gegen Schwarze zu protestieren, sagte James: „Ich stehe mit Kap, ich knie mit Kap.“ Zuletzt gründete James gemeinsam mit anderen Sportlern und Prominenten das Projekt „More Than a Vote“, um Afroamerikanern in den USA dabei zu helfen, sich für die Präsidentschaftswahlen zu registrieren, sich zu informieren – und tatsächlich zur Wahl zu gehen.
„Hoffentlich werden mich die Leute eines Tages nicht nur als Basketballspieler anerkennen, sondern auch, wie ich das Leben als afroamerikanischer Mann angegangen bin“, sagte James in diesem Zusammenhang der „New York Times“.
"99 Prozent der Spieler haben nicht so viel Geld wie Kyrie“
Und nicht nur James möchte die Liga fortsetzen. Austin Rivers von den Houston Rockets sieht sogar einen Vorteil für die Black-Lives-Matter-Bewegung, wenn die NBA wieder an den Start ginge. „Wenn wir zurückkämen, würde das Geld in unsere Kassen spülen. Mit diesem Geld könnte man noch mehr Leuten helfen, ihre Zeit und Energie auf die BLM-Bewegung zu verwenden – womit ich zu 100 Prozent einverstanden wäre“, schrieb Rivers auf Twitter. Auch die ökonomische Dimension der Spieler ist ihm wichtig. „Es gibt viele NBA-Spieler, die ihre Gehaltsschecks brauchen. 99 Prozent der Spieler haben nicht so viel Geld verdient wie Kyrie.“
Die Spieler sind also uneins darüber, wie es jetzt weitergeht, von der Liga um NBA-Boss Adam Silver gibt es bislang noch kein Statement. Ignorieren kann sie die Sorgen und Diskussionen ihrer Spieler aber nicht mehr lange.