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Nach der Olympia-Entscheidung für Tokio: Streit in der Türkei: Demonstranten vom Gezi-Park als Buhmänner

Kaum hatte das IOC seine Entscheidung für Tokio bekannt gegeben, begann in der Türkei neuer Streit über die Frage, wer die Schuld für die Niederlage Istanbuls trägt.

Parteifreunde von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan zeigten sofort mit dem Finger auf die türkische Protestbewegung: Die Demonstranten vom Gezi-Park hätten mit ihren Aktionen im Juni dem Image des Landes geschadet. Melih Gökcek, Bürgermeister von Ankara und Parteifreund Erdogans, twitterte: „Verräter, ihr könnt stolz darauf sein, wie ihr unser Land schlecht gemacht habt.“ Dagegen erklärte die „Taksim-Plattform“, ein Dachverband der Protestbewegung, die Regierung sei scheinheilig. Während die Führung des Landes „im Namen der Jugend und des Friedens“ die Olympischen Spiele nach Istanbul holen wollte, seien die Unterdrückung Andersdenkender und die Rufe nach einer Intervention in Syrien weitergegangen. Erdogan, der mit einer großen Ministerdelegation nach Argentinien gereist war, sagte nach der Abstimmung, es sei enttäuschend, dass das IOC mit Tokio eine Stadt gewählt habe, die anders als Istanbul schon einmal Gastgeberin der Spiele gewesen sei. Europaminister Egemen Bagis erklärte, nicht Istanbul sei der eigentliche Verlierer, sondern die Olympischen Spiele, denn das IOC habe eine historische Gelegenheit verpasst. Die Istanbuler Bewerbung drehte sich ganz um die Brückenfunktion Istanbuls zwischen Ost und West, Asien und Europa, islamisch und christlich geprägter Zivilisation. Die 2020er Spiele, drei Jahre vor dem 100. Jubiläum der Republikgründung 1923, wären eine Auszeichnung für die Türkei gewesen.

Thomas Seibert

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