Interview mit dem Manager des Füchse-Gegners: Stefan Kretzschmar: „Jetzt lacht keiner mehr“
Stefan Kretzschmar ist Manager beim Handball-Zweitligisten DHfK Leipzig, dem Pokalgegner der Füchse. Im Interview mit dem Tagesspiegel spricht er über den Handball in Leipzig, das Spiel gegen die Füchse und Red Bull.
Herr Kretzschmar, Sie sind eine der bekanntesten Figuren im deutschen Handball. Was hat Sie eigentlich vor vier Jahren geritten, als Manager zum damaligen Fünftligisten DHfK Leipzig zu wechseln?
Ich habe damals als Sportdirektor beim SC Magdeburg gearbeitet, also bei dem Verein, mit dem ich als Spieler die größten Erfolge hatte und den ich bis heute liebe. Wegen einer drohenden Insolvenz ging es da aber nur um Schadensbegrenzung. Wir haben im Grunde nur den Mangel verwaltet. Außerdem hat man mir vom Verein zu verstehen gegeben, dass man mich nicht mehr will. Daraufhin haben wir den Vertrag aufgelöst. Im beiderseitigen Einverständnis, wie es so schön heißt.
Da kam das Angebot aus Leipzig gerade recht.
Jein. Ich hatte kurz zuvor einen Vertrag als Fernsehkommentator unterschrieben, außerdem gab es Angebote vom HSV Handball und den Rhein-Neckar Löwen. Dann haben aber ein paar Freunde, die in Leipzig eine Spielerberateragentur betreiben, angefragt, ob ich am neuen Leipziger Handball-Projekt mitwirken möchte. Nach zwei, drei Terminen habe ich relativ schnell gemerkt: Hier geht was, es gibt eine Begeisterung, das könnte passen.
Mittlerweile leben Sie auch wieder in Leipzig. Aus beruflichen Gründen oder ganz freiwillig?
Ganz freiwillig. Das Gesamtpaket stimmt hier einfach. Es ist eine nette kleine Stadt, nicht so hip wie Berlin vielleicht, aber das brauche ich auch nicht mehr. Ich bin jetzt 42 Jahre alt, habe zwei Kinder, das Thema ist durch. Ich muss nicht mehr in die alternative Szene abtauchen wie zu Beginn der 90er. Trotzdem gibt es coole Ecken mit verrückten Bars und Tätowierstudios. Selbst wenn man im Zentrum lebt, sind es nur zehn Fußminuten – und man ist mitten im Wald. Dieser Mix ist, glaube ich, entscheidend dafür, dass Leipzig bundesweit die höchste Zuzugsrate aller Städte hat.
Sie sind in Leipzig geboren, im Alter von drei Jahren sind ihre Eltern dann nach Berlin umgezogen. Haben Sie noch irgendwelche Kindheitserinnerungen an Leipzig?
Überhaupt nicht. Aber für meine Identifikation mit dem Projekt war es schon wichtig, dass meine Eltern hier eine Zeit ihres Lebens verbracht haben, dass ich hier zur Welt gekommen bin. Ich habe eine emotionale Verbindung zur Stadt, und darauf kommt es an im Sport und im Leben. Man muss ja immer auch eine Geschichte erzählen können, wenn man etwas aufbauen möchte.
Mittlerweile ist Ihr Klub DHfK Leipzig Tabellenführer in der zweiten Bundesliga und empfängt am Mittwoch zum Viertelfinale des DHB-Pokals die Füchse Berlin.
Keine Frage, das ist unser bislang größter Erfolg. Die 6500 Tickets waren innerhalb von drei Stunden verkauft, weil alle wissen, dass wir die seltene Chance haben, als Zweitligist zum Final Four nach Hamburg zu fahren. Das hat es bisher erst einmal gegeben. Allerdings hätte ich lieber in der Hinrunde gegen die Füchse gespielt, da hatten sie bekanntlich Probleme. Jetzt sind sie wieder voll da und wir sind krasser Außenseiter. Ich hoffe, dass es nicht so deutlich wird wie vor zwei Jahren im Pokal. Damals haben wir mit zehn Toren Unterschied verloren.
In den Anfangsjahren mussten sich die Füchse auch aus den Niederungen der Spielklassen emporkämpfen. Erkennen Sie Parallelen zum DHfK Leipzig?
Wir haben uns schon gefragt: Wie hat man es dort gemacht? Die Strukturen sind ganz in Ruhe und wirtschaftlich solide aufgebaut worden. Daran haben wir uns orientiert, und wir liegen ganz gut im Zeitplan. Die größte Gemeinsamkeit ist das sportliche Konzept: Auch in Leipzig gibt es mittlerweile einen Handball-Leistungsstützpunkt, unsere Nachwuchsakademie funktioniert. Wir haben gute, aber keine herausragenden wirtschaftlichen Möglichkeiten, deshalb arbeiten wir in erster Linie mit eigenen, jungen Leuten. In diesem Punkt haben wir uns durchaus ein Beispiel an den Füchsen genommen. Außerdem haben wir, wie in Berlin, die Vereine aus dem Umland hinter uns gebracht. Wir sind der Leuchtturm in Sachsen, aber wir machen die anderen Vereine auch nicht kaputt. Leben und leben lassen halt.
Wie wichtig wäre es, bald in die Bundesliga aufzusteigen?
Wenn wir unsere Erfolgsgeschichte weiter erzählen wollen, müssen wir diesen Schritt in den nächsten zwei Jahren schaffen. Als wir vor ein paar Jahren gesagt haben, wir wollen perspektivisch in die Bundesliga, sind wir von vielen ausgelacht worden. Jetzt lacht keiner mehr, weil klar ist, dass wir das Potenzial dazu haben.
Das Potenzial für die Bundesliga hat auch ein anderer Leipziger Klub namens RB. Werden die Ziele von DHfK Leipzig durch den Aufstieg des von Red Bull alimentierten Fußballvereins erschwert?
Zumindest gibt es keinen Sponsorenkannibalismus. Geld spielt bei RB ja keine Rolle, die können sich einfach das kaufen, was sie wollen. Klar ist aber auch, dass wir medial eine andere Aufmerksamkeit hätten, wenn es RB nicht geben würde. Bis vor ein paar Jahren haben die Handballerinnen des HC Leipzig alles beherrscht, weil es kaum hochklassigen Sport gab. Dann kamen wir dazu und dann RB. Mittlerweile sind die Fußballer ganz klar die Nummer eins in der Stadt, und das wird sich auch nicht ändern, da müssen wir uns keine Illusionen machen.
Sie haben in Ihrer Karriere immer für Traditionsklubs gespielt, für den VfL Gummersbach, den SC Magdeburg, zudem sind Sie großer Fan des 1. FC Union Berlin. Was halten Sie vom Konstrukt RB?
Ob man RB mag oder nicht, muss jeder für sich entscheiden. Ich habe kein Problem mit dem Projekt, im Gegenteil. Das Kooperationsverhältnis untereinander ist gut, auf persönlicher und auf wirtschaftlicher Ebene gibt es keine Probleme. Trotzdem werde ich mir kein RB-Trikot kaufen oder mich als Fan bezeichnen. Beim Spiel gegen Union am Sonntag bin ich mit meinem Union-Trikot ins Stadion gegangen.
In Leipzig scheint es weitaus weniger Kritiker zu geben als außerhalb.
Das ist doch logisch. Zum ersten Mal seit 20 Jahren können Familien mit ihren Kindern ins Stadion gehen. Bei Lok und Sachsen Leipzig war das leider nicht immer möglich. Die Fanstruktur war zu aggressiv, die haben sich teilweise die Köpfe eingeschlagen. RB dagegen ist sehr familienfreundlich. Und für die Stadt ist das doch überragend: Eine große Firma investiert 100 Millionen Euro, davon 50 in ein neues Trainingsgelände – und die Stadt muss nichts dazuzahlen. Wer würde so ein Angebot ablehnen?
Das Gespräch führte Christoph Dach.