Dicke Luft im Norden (2): Werder Bremen: Stadionsprecher Arnd Zeigler: "Der HSV sieht sich als Weltverein“
Vor dem Derby am Sonnabend kriselt es bei Werder Bremen und dem Hamburger SV. Wir haben die beiden Stadionsprecher vor dem Spiel befragt. Im zweiten Teil: Arnd Zeigler von Werder Bremen.
Arnd Zeigler, sind Sie schon im Derbyfieber?
Es ist ein anderes Derbyfieber als sonst. Laut Tabelle spielt morgen ja nur die Nummer drei im Norden gegen die Nummer vier. Aber in diesem Spiel können beide eine ganze Menge geradebiegen. Es ist nicht alles gut bei einem Sieg, aber es ist schon sehr vieles besser.
Gibt es bei diesen Aufeinandertreffen eigentlich auch so etwas wie Abnutzungserscheinungen?
Nein, gar nicht. Im Prinzip funktioniert Fußball ja wie Evolution. Alles ist immer wieder neu und man hat immer neue Gesamtlagen. Für uns Bremer gewinnt es die Brisanz ja unter anderem dadurch, dass wir uns immer von den Hamburgern anhören müssen – egal, wer von beiden jetzt besser dasteht – der HSV sei die ewig eingebaute Nummer eins im Norden. Wir Bremer müssen uns sagen lassen, dass man in einem bedeutungslosen Provinznest lebe – und Hamburg ein Weltverein sei.
Wird man als Bremer mit diesem Derbygefühl geboren?
Es mag bei manchen Menschen so sein, dass die sich das früh aneignen. Bei mir ist es gar nicht so. Ich habe immer noch Mannschaften, die ich weniger gerne mag. Ich mache auch nicht mit bei dieser verordneten Rivalität. Der HSV ist definitiv kein Verein, der mir besonders nahesteht. Aber ich würde sehr viel vermissen, wenn es diese Duelle und Sticheleien nicht gäbe. Ich gucke mir das Spiel am Sonnabend zusammen mit Olli Dittrich an, der ja nun beinharter HSV-Fan ist. Und das wird bestimmt lustig. Für einen von uns.
Sie mussten in Ihrer Sendung als Wettschuld einmal ein HSV-Trikot überstreifen. Tat es richtig weh oder war das eher lustig?
So lustig war das nun nicht (lacht). Während der Sendung habe ich das auch gar nicht so negativ wahrgenommen. Als ich dann hinterher aber Fotos von mir im HSV-Trikot gesehen habe, musste ich schon schlucken. Das ist nichts, was man als Bremer gerne macht.
Sie sind gut befreundet mit dem HSV-Stadionsprecher Lotto King Karl. Wie kann das eigentlich sein?
(Lacht) Zwischen Lotto und mir ist es relativ harmonisch. Wir sehen ja beide unsere Klubs durchaus auch kritisch und können darüber lachen, wenn mal wieder ganz viel schiefgeht. Man muss das eben in schlechten Phasen auch mit einem gewissen Fatalismus sehen. Und das können wir gut. Der einzige Nachteil bei einer Freundschaft mit Lotto ist nur, dass man wenig zu Wort kommt.
Herr Zeigler, was sind heutzutage die elementaren Unterscheide zwischen dem Hamburger SV und Werder Bremen?
Das ist vor allem die Selbstwahrnehmung. Wenn ich zum Beispiel höre, dass HSV-Manager Oliver Kreuzer vor wenigen Wochen bei seiner Vorstellung sagt, der Verein stünde auf Augenhöhe mit Bayern, Dortmund und Schalke … so etwas würde man von einem Bremer einfach nicht hören. Die Hamburger sehen sich als Weltmetropole und definieren sich über Größe und Bedeutung ihrer Stadt. Und so sehen sie auch den Verein: als schlummernden Weltverein. In Bremen ist das alles unaufgeregter, entspannter, mehr Understatement.
Also geht es den Bremern in der jetzigen Situation besser als den Hamburgern?
Wir leiden auch. Ich glaube aber, wir sind nicht der Meinung, dass wir ganz schnell wieder in die Champions League gehören. Wir wissen, dass das jetzt eine Durststrecke ist. Nach einem tollen Jahrzehnt müssen wir erst einmal ein paar Jahre Anlauf nehmen, um dann wieder mal oben zu stehen. Das ist nichts, was man gerne verinnerlicht.
Geht es Ihnen denn prinzipiell besser, wenn es dem HSV schlecht geht?
Nein. Es mag zwar ein kleiner Trost sein in einer Phase wie jetzt, wenn man sieht, was in Hamburg für ein Chaos herrscht. Dann denkt man als Bremer, es könnte ja doch noch schlimmer kommen. Aber was ich nicht mag, ist diese Fixierung auf Schadenfreude dem HSV gegenüber. Dann spielst du zu Hause gegen Frankfurt, liegst 0:1 zurück und die Fans singen irgendwelche Hasslieder auf den HSV. Das ist mir fremd. Ich freue mich, wenn ich mit Lotto oder Olli Dittrich ein bisschen rumsticheln kann, aber ich bin weit davon entfernt, eine Niederlage des HSV gleichzusetzen mit dem Sieg meiner Mannschaft.
Wird man nächste Woche in Bremen merken, ob man dieses Spiel gegen den HSV gewonnen oder verloren hat?
Im Moment liegt eine graue Stimmung über der Stadt. Wenn du nach dem 0:3 gegen Frankfurt die Kneipenmeile entlanggehst, geht es dir auch nicht besser, als hättest du gerade gegen Hamburg verloren. Aber es ist einfach so, dass ganz Bremen im Moment hungert nach einem Befreiungsschlag. Und ein Sieg gegen Hamburg wäre ein solcher.
Bremen gegen Hamburg: Vor vier Jahren noch Europapokalschlacht, jetzt Kellerduell. Wie konnte das passieren?
Das ist wahrscheinlich eine ganz logische Entwicklung, die viele Vereine hinter sich haben, die eben nicht auf ganz so soliden Füßen stehen wie der FC Bayern oder Dortmund. Der HSV hat ja auch mal Champions League gespielt, Hertha auch. Und wenn man als so ein Verein mal oben steht und den Druck hat, die Erfolge zu konservieren, dann bekommt man irgendwann ein Problem. In Bremen hatten wir einfach eine sehr teure Mannschaft und dann bald die Wahl: Mache ich diese Spieler jetzt zu Geld oder versuche ich diese Mannschaft zusammenzuhalten, um weiter oben mitspielen zu können? Wir haben dann aber all unsere Ziele verpasst. Von daher ist das jetzige Gesundschrumpfen etwas tiefer in der Tabelle eine natürliche, aber schmerzliche Entwicklung, die Werder da gerade durchmacht.
Herr Zeigler, auf der Hälfte zwischen Bremen und Hamburg liegt das Örtchen Sittensen. Welchen Stadionsprecher hört man dort besser?
Ich glaube, dass Lotto lauter ist als ich. Ich muss das dann eben wettmachen mit feingeistigen Zwischentönen, die ihm nicht so liegen (lacht).
Die Fragen stellte Benjamin Apitius.
Lesen Sie hier, was HSV-Stadionsprecher Lotto King Karl zum Derby sagt.