Flüchtlingsunterkünfte in Berlin: Sportvereine drängen auf Rückgabe der Turnhallen
In Berlin sind viele für Flüchtlinge genutzte Sporthallen noch nicht wieder frei und saniert – das trifft die Klubs hart. "In den Vereinen stirbt etwas aus", klagt LSB-Chef Böger.
Gudrun Seeliger lässt sich nicht so schnell entmutigen. Die 66-Jährige ist Vorstandsmitglied beim Club für Leibesübungen 1965 (CfL) aus Berlin-Neukölln und wenn es in ihrem Verein darum geht, gemeinsam etwas anzupacken, dann ist die kleine Frau mit den kurzen dunklen Haaren dabei. Natürlich auch, als Ende des vergangenen Jahres die Sporthalle als Flüchtlingsunterkunft beschlagnahmt wurde, in der sonst die Tischtennisabteilung des CfL trainiert und Punktspiele austrägt. Seeliger und ihre Vereinskollegen haben improvisiert und neue Trainingsorte aufgetan, aber nun, ein Jahr später, sind ihr Optimismus und ihr Elan ziemlich angekratzt.
„Wir versuchen ja, die Stimmung im Verein hochzuhalten, doch das wird immer schwieriger“, sagt Seeliger. Denn die Lage für den CfL hat sich seither nicht verbessert, sondern dramatisch verschlechtert. Weil etwa die Trainingszeiten für die sieben- bis zehnjährigen Tischtennisspieler von Dienstag und Donnerstag auf Freitag und Sonntagnachmittag verlegt werden mussten und weil nicht abzusehen ist, wann sich die Hallensituation ändert, sind viele Eltern mit ihren Kindern ausgetreten. Von den zuvor 100 Mitgliedern der Tischtennisabteilung haben 40 den Verein verlassen. So gehen wichtige Einnahmen durch deren Beiträge verloren, außerdem ziehen Trainer und Betreuer zu anderen Klubs weiter. „Es könnte sein, dass wir die Abteilung womöglich auflösen müssen“, sagt Seeliger.
Berlin ist bei der Hallensituation Schlusslicht in Deutschland
So wie dem CfL geht es zahlreichen anderen Vereinen in Berlin. Sie leiden darunter, dass der Senat die Hallensituation nicht entspannen kann. Deshalb informierte der Landessportbund Berlin (LSB) am Montag mit vielen Klubvertretern über den aktuellen Stand – und der ist überaus ernüchternd. Von den ursprünglich 63 Hallen sind derzeit noch 40 belegt. Viel deprimierender ist für die Vereine, dass von den 23 Hallen, die mittlerweile nicht mehr als Flüchtlingsunterkünfte dienen, lediglich zwei wieder für den Sportbetrieb zur Verfügung stehen. „Das ist nicht akzeptabel“, sagt LSB-Präsident Klaus Böger. „Überhaupt ist Berlin damit Schlusslicht in Deutschland.“
Eigentlich hatte der Senat angekündigt, dass bis Ende dieses Jahres alle Hallen wieder frei sein sollten. Dieser Termin wurde bereits auf Sommer 2017 verschoben. So bangt Böger derzeit, ob die Hallen überhaupt zu Beginn des Schuljahres 2017/2018 wieder zur Verfügung stehen. Besonders kritisiert der LSB, dass in den meisten der 23 freien Sporthallen noch keine Sanierungsarbeiten begonnen haben. „Viele Hallen stehen seit Wochen und Monaten leer, weil in den Berliner Verwaltungen ein Zuständigkeitswirrwarr herrscht“, sagt Thomas Härtel, Vizepräsident des LSB. Die Senatsverwaltungen für Finanzen und die für Inneres und Sport sowie das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten schieben sich laut Härtel die Zuständigkeiten hin und her.
Oft gibt es Hickhack um die Sanierungskosten
Neben dem Breitensport sind auch Profiklubs betroffen. Die BR Volleys können in ihrer eigentlichen Trainingsstätte, dem Horst-Korber-Sportzentrum, noch immer nicht trainieren, obwohl diese bereits seit Mai nicht mehr als Flüchtlingsunterkunft genutzt wird. Erst vor zwei Wochen konnten die Sanierungsarbeiten für den Boden, die Klimaanlage und die sanitären Einrichtungen ausgeschrieben werden. Zuvor gab es ein langes Hickhack zwischen Behörden und Landessportbund, wie hoch die Kosten dafür ausfallen. Mittlerweile wurde ein Betrag um die 3,5 Millionen Euro bewilligt. „Wir müssen hoffen, dass wir vor der nächsten Saison im September 2017 wieder ins Korber-Zentrum kommen“, sagt Manager Kaweh Niroomand. „Und da die Übergangslösungen nur bis Jahresende gelten, wissen wir als Deutscher Volleyball-Meister noch nicht, wo wir im Januar und Februar trainieren.“
Niroomand, der auch Sprecher der Berliner Profivereine ist, empfindet die Leistungen des Berliner Sports angesichts der ernüchternden Situation als zu wenig wertgeschätzt vom Senat. „So viele Vereine setzen sich für Integration ein und schaffen Angebote für Flüchtlinge“, sagt er. „Es ist ein Drama, dass mit dem Berliner Sport so umgegangen wird.“
Viele Vereinsvertreter sind ausgebrannt
Der Frust bei den Vereinen wächst. Zahlreiche Spieltage in Amateur- und Jugendligen im Hockey, Handball oder Volleyball sind ausgefallen. Weil die Klubvertreter ihren Mitgliedern zudem nicht sagen können, wann in den Hallen wieder Sport getrieben werden kann, treten viele aus. „So stirbt eine lang aufgebaute Infrastruktur in den Vereinen langsam aus“, sagt LSB-Präsident Böger. „Wir müssen daher jetzt diesen Notruf und Weckruf aussenden. Denn wir wollen ja einfach nur den alten Zustand wieder zurückhaben.“ Zudem fordert der LSB, dass die Erstattungsverfahren für Mietkosten, die Vereinen entstanden sind, weil sie neue Sportstätten suchen mussten, in Zukunft weniger bürokratisch ablaufen.
Gudrun Seeliger muss aber auch daran arbeiten, ihre Vereinskollegen weiter zur ehrenamtlichen Arbeit zu motivieren. So sei der Leiter der Tischtennisabteilung des CfL vollkommen ausgebrannt und wolle aufhören, sagt sie. „Wir versuchen wirklich alles, um die Spirale nach unten zu beenden.“ Noch hat Seeliger also nicht aufgegeben.