DFB-Pokalviertelfinale: Sportfreunde Lotte spielen gegen den BVB auf Sieg
Die Sportfreunde Lotte haben es im DFB-Pokal weit geschafft – und ihr Weg soll noch nicht zu Ende sein. Ein Besuch.
Hinter der Haupttribüne des Lotter Stadions sieht es aus wie in der Werkstatt eines Hobbybastlers. Auf einem aufgebockten Tisch liegt ein Schild, seitlich darunter bilden Bohrer, Hammer und eine Kabeltrommel ein buntes Durcheinander. Für Gerrit Nauber ein gewohntes Bild, seit er vor viereinhalb Jahren von Bayer Leverkusens Reserveteam zu dem Klub im Tecklenburger Land wechselte. „Wir haben ja mehrere im Vorstand, die selbst mit anpacken, den Rasen mähen oder irgendwelche Kleinigkeiten am Stadion erledigen“, erzählt der 24-Jährige. „Das sind schon alles Eigenbrötler. Aber das macht ja auch den Charme des Vereins aus.“
Nauber ist der Kapitän der Sportfreunde und will mit ihnen am Dienstag (20.45 Uhr/live bei ARD und Sky) im Pokalviertelfinale mit Borussia Dortmund, den nächsten großen Gegner aus dem Wettbewerb werfen. Die ebenfalls erstklassigen Bremer und Leverkusener haben die Lotter bereits geschlagen, zuletzt im Achtelfinale haben sie souverän Zweitligist 1860 München besiegt. Nun ist also der BVB zu Gast, und Trainer Ismail Atalan sagt: „Auch da sind wir nicht chancenlos. Wir spielen auf Sieg.“
Einstellen können sich die Dortmunder beim Besuch auf dem Hügel oberhalb der 14.000-Einwohner-Gemeinde Lotte in jedem Fall auf Landleben in Reinkultur. Am Ende des sanften Anstiegs, vorbei an einem Supermarkt, einer Grundschule und einem Acker, steigt einem der Geruch von Kühen und Düngemittel in die Nase. Auf der linken Seite liegt der Ersatztrainingsplatz der Sportfreunde, der zur Grundschule gehört. Auf einem Schild über dem Eingangstor steht in roter Schrift: „Lärminstrumente wie Trommeln, Sirenen, Musikgeräte usw. sind nicht erlaubt!“
Das Lärmverbot klingt ein bisschen streng und freudlos. Dazu passt, dass die gusseiserne Uhr im Stadion, seitlich hinter der Westtribüne, stehengeblieben ist. Die Zeiger hängen auf fünf vor halb acht fest, alles hier scheint langsamer zu laufen als anderswo. Es ist so etwas wie das versteckte Motto des Klubs, dem nach acht Jahren in der Regionalliga im Sommer 2016 der Sprung in die Dritte Liga gelang. Nun ist sogar der direkte Durchmarsch nach oben möglich, ein entsprechendes Statement verkneift sich Abwehrchef Nauber jedoch. Denn in Deutschlands dritter Fußballklasse geht alles extrem eng zu.
Das Kollektiv zählt
„Nach dem Rückrundenstart vor vier Wochen gegen die Bremer Reserve ging es nur darum, ob wir womöglich absteigen“, sagt sich Nauber. Auf eines legt er sich aber fest: „Wir praktizieren ein gutes Pressing und wollen einfach einen gepflegten Ball spielen. Dazu gehört Mut, und das trauen sich nicht so viele Mannschaften in der dritten Liga. Deswegen sind wir dort ein bisschen außergewöhnlich.“
Das gilt auch für Chefcoach Atalan. „Diese Mannschaft kann auch ein Busfahrer trainieren, so gut ist die“, sagte der 36-Jährige nach dem Zweitrundensieg gegen Champions-League-Teilnehmer Bayer Leverkusen. Kapitän Nauber hält diese Bescheidenheit für übertrieben: „Unter ihm haben wir unser altes Spielsystem wieder eingeführt, er hat uns gut darauf eingestellt“, sagt er. „Für mein Empfinden ist er ein enorm guter Trainer, einen Job in der Bundesliga traue ich ihm auf jeden Fall zu.“
Der blonde Innenverteidiger stammt aus dem 20 Autominuten entfernten Bad Iburg, seit letztem Sommer wohnt er direkt vor Ort in Lotte. Wie mehr als die Hälfte des Teams. Das Kollektiv – auf dem Platz und in der Freizeit – mache die Mannschaft stark, sagt Nauber, der angesichts der Pokaleinnahmen von bislang 2,4 Millionen Euro einen dringenden Vorschlag an Lottes Vereinsseele Manfred Wilke und dessen Mitstreiter hat.
Der Haupttrainingsplatz der Sportfreunde dient bei den Heimspielen im DFB-Pokal immer als Parkplatz und ist danach zwei Wochen lang kaum zu gebrauchen. „Deshalb“, findet Gerrit Nauber, „könnte sich die Vereinsführung schon mal überlegen, in naher Zukunft da noch einen anderen Rasenplatz hinzubauen.“