1. FC Union Berlin: Spitzenspiel in Braunschweig: Zeit für einen Helden
Ohne den gesperrten Sebastian Polter ruhen Unions Hoffnungen am Montagabend bei Eintracht Braunschweig auf Philipp Hosiner.
Für die Fahrt nach Braunschweig ist Philipp Hosiner bestens vorbereitet. Eier, Quinoasalat, Avocado-Aufstrich – alles hat der Stürmer des 1. FC Union Berlin vorher zubereitet und in kleine Behälter gefüllt. So macht er das nun schon seit Monaten. Wo Hosiner auch hinkommt, sein Essen hat er immer dabei. Selbst nach den täglichen Trainingseinheiten isst er nicht nach dem Kantinenspeiseplan, sondern nur, was er eigenhändig gekocht hat. „Ich achte enorm darauf, was ich zu mir nehme, seit ich meine Ernährung umgestellt habe“, sagt er. Weizenprodukte, industrieller Zucker, Kuhmilchprodukte, all das steht auf dem Index. Viereinhalb Kilo hat der 27 Jahre alte Stürmer seitdem verloren, sein Körperfettanteil beträgt 8,5 Prozent, ein irrer Wert in Cristiano-Ronaldo-Dimensionen.
Hosiner hat sich selbstoptimiert, wie es im Sprachgewand unserer Tage heißt. Besteht von Kopf bis Zehenspitzen nur noch aus Muskeln, ein Athlet vom Abbild antiker Helden. Und könnte zum Helden der Gegenwart werden, sollte er seinen 1. FC Union am Montagabend zum Sieg schießen bei Eintracht Braunschweig (20.15 Uhr, live bei Sport 1).
Das bislang wichtigste Saisonspiel
Es ist das bis hierhin wichtigste Saisonspiel für den Berliner Zweitligisten. Verliert Union das Duell beim direkten Konkurrenten, ist der Traum vom Aufstieg in die Bundesliga ausgeträumt. Dann würde der Rückstand auf Braunschweig und Hannover sechs Punkte betragen und wäre bei nur noch zwei ausstehenden Spielen allenfalls noch theoretisch aufzuholen. Im Grunde muss Union sogar gewinnen, ein Unentschieden könnte zu wenig sein. „Jetzt haben wir ein Endspiel, das war es, was wir wollten. Dementsprechend mutig werden wir auftreten“, sagt Hosiner. Das klingt keineswegs aufgesetzt, der Mann glaubt an das, was er sagt. Er hat ja auch allen Grund dazu.
Philipp Hosiner befindet sich zum bestmöglichen Zeitpunkt in Topform. Drei Tore hat er in den vergangenen vier Spielen erzielt, zwei davon als Einwechselspieler. In Braunschweig wird er von Beginn an spielen, das ist sicher. Mittelstürmer Sebastian Polter, Unions Wichtigster im Angriff, ist nach seiner Roten Karte aus der Vorwoche gesperrt. Alle Last liegt nun auf Hosiner. Gelingt es ihm, Polter zu ersetzen, hat seine Mannschaft in Braunschweig eine realistische Chance, die Aufstiegshoffnungen am Leben zu halten. „Ich bin bereit, ich fühle mich richtig gut“, sagt Hosiner. Und das liegt nicht nur an seinen überragenden Blutwerten, die ihm jüngst ein Arzt der Charité bescheinigte. Der fünfmalige Nationalspieler Österreichs hat hart an sich gearbeitet, dass er jetzt so verlässlich trifft, „ist kein Zufall“, wie er sagt.
Er kam als klare Nummer eins für den Angriff
Es gab Zeiten in dieser Saison, da hat Hosiner keine Rolle gespielt bei Union. Entweder wurde er kurz vor Schluss eingewechselt oder musste ganz zusehen. Der Winter war nicht nur des Wetters wegen eine triste Zeit für ihn. „Da hatte ich viel Zeit nachzudenken“, sagt er. „Ich stellte mir die Frage, was ich als Sportler erreichen will, ob ich nicht genug aus mir raushole.“ Das war auch die Phase, in der er seine Ernährung umstellte.
Hosiner schuftete auf dem Trainingsplatz, wenn die anderen reingingen, blieb er noch draußen. Trotzdem dauerte es, bis Trainer Jens Keller ihn wieder öfter einsetzte. Die Minuten hat er sich schwer verdient, weil er immer sofort da war, wenn er ins Spiel kam. „Ich habe gelernt, sofort fokussiert zu sein. Als Einwechselspieler bekommst du nicht drei oder vier Chancen. Da musst du die eine nutzen, die sich dir bietet“, sagt er. Auch diese Rolle anzunehmen, kostete mentale Kraft.
Hosiner kam im Sommer ja nicht vom 1. FC Köln, um als Joker zu glänzen. Er kam als klare Nummer eins für den Angriff. Aber gleich nach dem ersten Spiel verletzte er sich und Ersatzmann Collin Quaner nutzte seine Chance. Als sich Hosiner wieder fitmeldete, war für ihn kein Platz mehr. Quaner traf und traf und traf. Dann wurde Quaner verkauft und Polter für viel Geld geholt. Ein eindeutiges Zeichen, dass Hosiner nicht mehr als erste Option gesehen wurde. Eine unschöne Situation, aber aufgeben? Er hatte doch schon ganz anderes durchgestanden.
"Jetzt ist es allein an uns"
Vor zweieinhalb Jahren war bei ihm ein Nierentumor festgestellt worden. Gigantisch groß und zwei Kilo schwer. Hosiner ließ sich operieren, drei Monate später stand er wieder auf dem Platz. „Nach so etwas lernt man automatisch, die Dinge anders zu betrachten“, sagt er. Dass er die Krankheit so schnell hinter sich ließ, gab ihm zusätzliches Selbstvertrauen und überhaupt, Torschützenkönig in Österreich war er, Nationalspieler, da würde er auch bei Union wieder zurückfinden. Hosiner war sich ganz sicher. Er sollte recht behalten. Ohne seine Tore gegen Nürnberg und Düsseldorf wären die Berliner längst raus aus dem Aufstiegsrennen. „Dass wir alles immer noch selbst in der Hand halten, ist ein gutes Gefühl“, sagt Hosiner. „Jetzt ist es allein an uns.“