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Wieder aufstehen. Spaniens Verteidiger Sergio Ramos (o.) will mit Spanien die WM-Enttäuschung vergessen machen.
© picture alliance / dpa

Testspiel gegen Deutschland: Spanien setzt nach WM-Misserfolg auf einen sanften Übergang

Spanien setzt nach dem WM-Misserfolg auf einen sanften Übergang – doch das funktioniert noch nicht so richtig.

Es gibt geschicktere Diplomaten als Sergio Ramos. Der Abwehrspieler von Real Madrid und der spanischen Nationalmannschaft eckt mit seinen Aussagen gern an. Die Härte, mit er in den vergangenen Tagen einen Mitspieler attackierte, war aber auch für seine Verhältnisse ungewöhnlich. Während eines Radiointerviews sagte Ramos: „Man kann behaupten, es ist eine Schambeinentzündung, klar. Die andere Sache ist, ob du sie tatsächlich hast oder nicht“, sagte Ramos und gab dann gleich noch einen Einblick, wie es im Profifußball um die Ehrlichkeit steht: „Zwischen dem, was wir sagen und dem, was wir haben, liegen Welten.“

Gerichtet waren die Worte an Diego Costa. Jenen 26 Jahre alten, eingebürgerten Brasilianer, der bei den kommenden Turnieren für Spaniens Tore sorgen soll. Der Stürmer vom FC Chelsea hatte für das EM-Qualifikationsspiel gegen Weißrussland (3:0) und für das Freundschaftsspiel am Dienstag gegen Deutschland mit der Begründung abgesagt, dass er an einer Schambeinentzündung leide. Darüber war nicht nur Ramos verwundert, schließlich hatte Costa kurz zuvor noch die kompletten 90 Minuten beim Spiel seines Klubs gegen den FC Liverpool absolviert. Nach dem Abpfiff schien er noch recht fidel. „Ich würde mir wünschen, dass alle die gleiche Einstellung in der Nationalmannschaft zeigen wie im Klub“, sagte Ramos, der bei Spaniens Titelgewinnen 2008, 2010 und 2012 zu den prägenden Figuren gehörte.

Ramos und Costa. Vergangenheit und Zukunft. So richtig wollen sie noch nicht zusammenpassen.

Piqué, Casillas und Busquets sind noch dabei

Transición, so wie die politische Epoche nach dem Tod von Diktator Francisco Franco, nennen Spaniens Sportzeitungen die Phase, in der sich ihre Nationalmannschaft gerade befindet. Trainer Vicente Del Bosque hat sich gegen einen radikalen Neubeginn entschieden, er bevorzugt den sanften Übergang. Vergangenheit und Zukunft sollen sich in der Mannschaft noch ein Weilchen begegnen, mindestens bis zur EM 2016. Xavi, David Villa, Xabi Alonso haben nach dem blamablen Vorrunden-Aus bei der WM in Brasilien ihren Rücktritt verkündet, dafür sind Gerard Piqué, Iker Casillas oder Sergio Busquets noch dabei. Auch Andres Iniesta, David Silva, Javi Martinez, Fernando Torres, Cesc Fabregas oder Juan Mata gehören weiter zur Mannschaft, obwohl sie gegen Deutschland alle fehlen werden. Einige sind verletzt, andere außer Form.

In Vigo soll am Dienstagabend hauptsächlich die neue Generation spielen. Torhüter David de Gea von Manchester United etwa, der Casillas spätestens nach der EM beerben wird. Oder Juan Bernat vom FC Bayern, die Mittelfeldspieler Koke (Atletico) und Isco (Real Madrid) sowie im Angriff Valencias Paco Alcacer oder Alvaro Moratta von Juventus Turin als Costa-Ersatz. Alternativen für die Abwesenden gibt es genug, auch der ehemalige Leverkusener Daniel Carvajal soll in Zukunft eine wichtige Rolle als Rechtsverteidiger einnehmen. Gegen Deutschland fehlt er verletzt.

Spanien dominierte zuletzt mit Deutschland im Juniorenfußball

Spanien hat in den vergangenen Jahren gemeinsam mit Deutschland den Fußball bei den Junioren dominiert. Die U 21 wurde zuletzt zweimal in Folge Europameister, bei der U 19 gab es 2011 und 2012 Titel. Talente sind mehr vorhanden, als Vicente Del Bosque nominieren kann. Aber sie benötigen Zeit, um sich aneinander zu gewöhnen. Bei den Triumphen zwischen 2008 bis 2012 setzte Spanien stets auf zwei große Blöcke mit Spielern von Real Madrid und dem FC Barcelona. Das hat sich geändert. Gegen Weißrussland standen Fußballer aus 14 verschiedenen Klubs im Aufgebot. Vereine wie Espanyol Barcelona, Villarreal oder Celta Vigo stellen inzwischen auch Nationalspieler.

Ob sie irgendwann einmal das Niveau ihrer Vorgänger erreichen? „Wir sollten aufhören, auf einen neuen Xavi oder einen neuen Iniesta zu hoffen. Diese Spieler sind einzigartig, die gibt es nicht noch mal“, sagt Francesc Perearnau von der Sportzeitung „Mundo Deportivo“.

Momentan müht sich Spaniens Mischung aus Erfahrenen und Talenten durch die Qualifikation. Nach der 1:2-Niederlage in der Slowakei wurde Del Bosques zögerlicher Reformwille kritisiert. Auch beim 3:0 am Sonnabend gegen Weißrussland konnte die Mannschaft nicht überzeugen. Derzeit liegt der Titelverteidiger nur auf Platz zwei seiner Gruppe, knapp vor den punktgleichen Ukrainern.

Es gibt nicht wenige, die sich nach der WM einen tieferen Umbruch gewünscht hätten. Aber Spieler wie Pique, Fabregas, Silva, Busquets, Iniesta oder Ramos sind erst Mitte beziehungsweise Ende Zwanzig, Del Bosque will auf sie nicht verzichten. Nicht solange die Transición in vollem Gange ist.

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