Ballacks Champions-League-Aus: Sollten Schiris technische Hilfe bekommen?
Der FC Chelsea gibt Schiedsrichter Tom Henning Övrebrö die Schuld am Aus im Champions-League-Halbfinale, weil er mehrere Elfmeter nicht pfiff. Sollten Schiedsrichter technische Unterstützung bekommen? Was denken Sie? Diskutieren Sie am Ende des Textes mit!
Die Bilder gleichen sich. Wütende Männer in blauen Trikots scharen sich erregt um einen leicht untersetzten glatzköpfigen Mann. Am Mittwochabend zog Schiedsrichter Tom Henning Övrebö den Zorn der Spieler des FC Chelsea auf sich, im Vorjahr waren es Italiens Fußballer, die dem Norweger an den Kragen wollten. Bei der Europameisterschaft 2008 leitete der Norweger zunächst das Vorrundenspiel Deutschland gegen Polen (2:0), sein zweiter EM-Einsatz danach war auch sein letzter. Nachdem Övrebö beim 1:1 zwischen Italien und Rumänien ein reguläres Tor von Luca Toni wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung nicht gegeben und Rumänien kurz vor Schluss einen zweifelhaften Elfmeter zugesprochen hatte, forderte der italienische Fußballverband eine Stellungnahme der Uefa. Övrebö gab danach zu, bei Tonis Tor falsch gelegen zu haben, die Uefa nahm ihn aus dem Turnier.
Nun ist Övrebö erneut durch Fehlentscheidungen in einem wichtigen Spiel aufgefallen. Selbstverständlich ist der hauptberuflich als Psychologe tätige Norweger nicht der einzige Referee, dem das passiert. Der moderne Fußball wird immer schneller, die Offiziellen müssen in Sekundenbruchteilen entscheiden: War das abseits? War der Ball hinter der Linie? War das Foul?
Dennoch gibt es keine technischen Hilfsmittel für Schiedsrichter. Der Spielfluss dürfe nicht durch langwieriges Videostudium strittiger Szenen unterbrochen werden, wird argumentiert. Die Regelhüter des Fußball-Weltverbands Fifa votierten zuletzt auch gegen die Chip-im-Ball-Technologie, mit der festgestellt werden sollte, ob der Ball die Torlinie überschritten hat. Dafür wird derzeit der Einsatz von Torrichtern getestet.
Markus Merk, inzwischen zurückgetretener dreimaliger Weltschiedsrichter des Jahres, spricht sich als einer von nur wenigen Schiedsrichtern für technische Hilfsmittel aus. „Das Spiel Chelsea gegen Barcelona war ein Paradebeispiel für meine Vorschläge“, sagte Merk dieser Zeitung. Zu vielen strittigen Diskussionen wäre es am Mittwoch gar nicht erst gekommen, hätte Övrebö seinen ersten Fehler korrigieren können. „Weil er den ersten Elfmeter nicht gibt, hat er das persönliche Dilemma, jeden weiteren Strafstoß hundertprozentig vertreten zu müssen, um nicht als Umfaller dazustehen. Das schadet psychologisch gesehen eher.“
Fifa-Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer sieht das anders. Er ist gegen einen Videobeweis. „Wir fahren mit den Regeln, die wir haben, gut“, sagte er dem Tagesspiegel. Auch er argumentiert mit dem Spiel Chelsea gegen Barcelona. Die Rote Karte gegen Abidal vom FC Barcelona sei ein Beispiel dafür, wie wenig Sinn der Videobeweis mache, „weil auch die Fernsehaufnahmen nicht klar gezeigt haben, ob es eine Berührung gab oder nicht“. Allerdings sei er ein Freund des Chips im Ball. „Denn es ist mit menschlichen Auge manchmal kaum erkennbar, ob der Ball komplett hinter der Linie war oder nicht.“
Im Gegensatz zum Fußball gehört der Videobeweis bei American Football, Eishockey und Rugby zum Alltag. Beim Tennis wird die „Hawk-Eye-Technik“ eingesetzt: Sechs verschiedene Kameraperspektiven erstellen eine 3-D-Simulation, mit der festgestellt werden kann, ob ein Ball im Aus war. Andere Sportarten setzen auf zusätzliche Offizielle, um die Zahl der Fehlentscheidungen zu minimieren. Basketballspiele werden von drei Schiedsrichtern geleitet, bei der australischen Variante des Fußballs kümmern sich sogar neun Offizielle um die Einhaltung der Regeln: drei Schiedsrichter, vier Linienrichter und zwei Torrichter.
Beim Fußball leitet nur einer das Spiel, zwei Assistenten helfen an den Seitenlinien. Der vierte Schiedsrichter steht außerhalb des Feldes, ohne unmittelbaren Einfluss auf das Spiel. In der Champions League werden die Referees der Partien zwei Tage im Voraus bekannt gegeben. „Dabei werden verschiedene Kriterien zurate gezogen“, sagt ein Uefa-Sprecher. Vor allem zähle die Leistung in den nationalen Ligen und im internationalen Wettbewerb. Doch wird dabei meist nur auf die vergangenen Wochen geblickt – weshalb auch Övrebö trotz seiner schwachen Leistung bei der EM für das wichtige Spiel am Mittwoch nominiert wurde. „Er hatte genügend Spiele nach dieser EM, um der richtige Mann für dieses Halbfinale zu sein“, sagt der Uefa- Sprecher. Zudem überprüfe die Uefa- Schiedsrichterkommission nach jeder Partie die Leistung der Schiedsrichter.
Doch selbst wenn die Kommission zu dem Ergebnis kommen sollte, dass Övrebö einige Fehler unterlaufen sind – die Einführung des Videobeweises dürfte damit nicht wahrscheinlicher werden.
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