Mitgliederversammlung beim 1. FC Union: Solide Zahlen und große Träume
Die Wagenburg öffnet sich: Der 1. FC Union feiert seinen 50. Geburtstag im Velodrom und verkündet seine Geschäftszahlen und sieht seine Zukunft in der Bundesliga
Von den Rängen schallt die Aufforderung zum Anprobieren. „Anziehen, anziehen“ rufen die über 5000 Anhänger des 1. FC Union und Michael Müller willigt ein. Berlins Regierender Bürgermeister streift sich das Trikot mit der Rückennummer zehn über, das er gerade von Unions Präsidenten Dirk Zingler bekommen hat. Sitzt wie angegossen, die Masse schreit, die Masse johlt. Müller, der dem Berliner Zweitligisten kurz zuvor Unterstützung bei der Grundstückssuche zum Bau eines Nachwuchsleistungszentrums zugesagt hat, winkt kurz ins Publikum, dann ist er weg.
Beim 50. Geburtstag des 1. FC Union stehen andere im Mittelpunkt. Günter Milies etwa. Der Ehrenpräsident eröffnet die Feierlichkeiten gemeinsam mit dem amtierenden Zingler, es ist der erste emotionale Höhepunkt des Abends. Milies, heute 90 Jahre alt, gehörte zu den Gründungsmitgliedern, als der 1. FC Union am 20. Januar 1966 ins Leben gerufen wurde. Bewegte Zeiten liegen hinter dem Verein, Aufstiege, Abstiege, gefälschte Bankbürgschaften, Führungschaos, beinahe Bankrott und die sportliche Wiederauferstehung bis hin zur Rückkehr in die Zweite Liga. Ehemalige Spieler und Trainer, darunter Wolfgang Matthies, Torsten Mattuschka, Hans Meyer oder Georgi Wassilew, sitzen im Publikum. Daniel Teixeira ist extra aus Brasilien angereist. Sie alle feiern und werden gefeiert. Mattuschka, der 2014 nicht gerade geräuschlos nach Cottbus verschwand, wird am lautesten bejubelt und besungen. Ein ihm zu Ehren gedichtetes, tausend Mal gesungenes Lied hallt durchs Velodrom. „Torsten Mattuschka, du bist der beste Mann, Torsten Mattuschka, du kannst was keiner kann…“
Ernster wird es dann im Rahmen der Mitgliederversammlung, die in die Feierlichkeiten integriert ist. Präsident Zingler spricht über die zukünftige Ausrichtung des Klubs und den Konkurrenzkampf im Profigeschäft. „Wir haben nur eine Chance, wenn wir mutig bleiben und uns als Verein öffnen.“ Nicht etwa einem Investor gegenüber, sondern neuen Anhängern. Wichtig sei zuzulassen, dass auch Menschen den Verein mögen, die nicht in Köpenick geboren sind. Unions Präsident möchte gern noch mehr Zuschauer in die Alte Försterei locken. Derzeit ist die Arena mit knapp über 20.000 Zuschauern pro Spiel weit über 90 Prozent ausgelastet, aber längst werden im Präsidium Pläne einer Stadionerweiterung diskutiert. „Wir müssen, die, die unser Werteverständnis teilen, hinter uns bringen. Nur wenn wir kommerziell erfolgreich sind, haben wir eine Chance im Profifußball zu bestehen“, sagt Zingler. Union wird oft vorgeworfen, sich im eigenen Bezirk zu verschanzen und ein Stadtteilverein zu sein, der sich gegen neue Einflüsse verschließt. Einer Wagenburg gleich.
Der Klub müsste schon aufsteigen, um alle Verbindlichkeiten abzubauen, sagt Zingler
Bevor die Hüter der Wagenburg wieder in Feierlaune kommen, verkündet Zingler noch die Zahlen aus dem abgelaufenen Geschäftsjahr. Die bewegten sich in allen relevanten Kategorien im Bereich der vergangenen zwei Jahre. Einnahmen und Ausgaben egalisieren sich, insgesamt wurde bei einem Etat von 26 Millionen Euro ein Überschuss von lediglich 40.000 Euro erzielt.
„Wir können in der Zweiten Liga keine Rücklagen erwirtschaften, da brauchen wir unseren Etat, um wettbewerbsfähig zu bleiben“, sagte Zingler bereits vor der Veranstaltung. Schulden könnten nur durch „drei oder vier Jahre in der Bundesliga“ abgebaut werden. Unions Verbindlichkeiten belaufen sich auf 4,49 Millionen Euro, die hauptsächlich aus den späten neunziger Jahren stammen, als der Investor Michael Kölmel dem fast bankrotten Verein Geld lieh. Kölmel ist auch im Publikum und bekommt herzlichen Applaus.
Dann ist die Mitgliederversammlung vorbei, das Licht wird gedämmt und von nun an in Erinnerungen geschwelgt. Videos flimmern über Leinwände, verdiente Mitglieder und Spieler auf die Bühne gerufen. Später sollen noch die FDGB-Pokalsieger von 1968 auftreten. Es ist der einzige Pokal von Bedeutung, den der Klub bis heute gewinnen konnte, 2:1 hieß es damals im Finale gegen Carl Zeiss Jena. Dauerhafter sportlicher Erfolg war Union nie beschieden, Dirk Zingler will das ändern. Die Bundesliga bleibt das große Ziel, sagt er. Michael Müller hatte sich dafür schon zu Beginn der Veranstaltung ausgesprochen. In Zinglers Richtung rief er: „Berlin wartet auf einen weiteren Erstligisten.“