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Nikola Karabatic, der beste Handballer des zurückliegenden Jahrzehnts, wird bei der WM in Deutschland verletzungsbedingt fehlen.
© AFP

Kritik wird schärfer: So weit die Füße der Handballer tragen

Die Profis klagen wenige Monate vor der WM in Deutschland über die extremen Spielpläne und zu hohe Belastung.

Den 22. Oktober 2018 werden deutsche Handballfans in positiver Erinnerung behalten. Am Montag ist bekannt geworden, dass die Übertragungsrechte für die kommenden großen Turniere, ein seit Jahren kontroverses Thema, gesichert sind: ARD und ZDF haben sich den Zuschlag für alle Europameisterschaften bis 2024 sowie alle Weltmeisterschaften bis 2025 gesichert, inklusive der kommenden WM, die vom 10. bis 27. Januar 2019 in Deutschland und Dänemark stattfindet. Damit ist die Handball-WM erstmals seit 2013 wieder im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen. So weit, so gut.

Welche Spieler die Fans dann zu sehen bekommen werden, ist eine andere Frage. Nikola Karabatic etwa, der zweifellos beste Handballer des vergangenen Jahrzehnts, Kapitän der französischen Weltmeister- und Olympiasieger-Mannschaft, wird auf jeden Fall fehlen. Der 34-Jährige musste sich einer Operation am linken Fuß unterziehen; er fällt vier bis sechs Monate lang aus und wird damit zum ersten Mal in seiner Karriere ein großes Turnier verpassen. Die Nachricht passt in die Zeit: Wenn selbst Karabatic, dieser Typ Menschmaschine mit vermeintlich unverwüstbarem Körper, der nie ernsthaft verletzt war, absagt – dann sagt das viel aus über die Belastung im Handball, über den Schutz der besten Protagonisten und deren Regenerationsmöglichkeiten.

Neue Dimension

Die Debatte ist so vorhersehbar wie der Herbst an sich: Wie in jedem Jahr streiten sich auch diesmal wieder Funktionäre darüber, ob die Sportart ihre Ausnahmekönner nicht verheizt. Im Herbst 2018 hat die Debatte allerdings eine neue Dimension erreicht: Zuletzt haben sich zahlreiche ehemalige wie aktive Nationalspieler zu Wort gemeldet und scharfe Kritik geübt, Holger Glandorf von der SG Flensburg-Handewitt zum Beispiel oder Hendrik Pekeler vom THW Kiel. „Wir haben viel zu wenig Zeit, um richtig zu regenerieren“, sagte Glandorf und zog einen Vergleich zur US-amerikanischen Basketball-Liga NBA: „Die machen auch 80 bis 90 Spiele pro Saison – aber dann haben sie auch drei Monate Sommerpause.“ Deutsche Handballer, gerade die Angestellten der Topklubs, können von Glück reden, wenn sie im Sommer drei Wochen lang die Beine hochlegen dürfen. Sonst spielen sie praktisch durch.

Besonders hart hat es die Füchse Berlin erwischt: Aus dem 17 Spieler umfassenden Kader des Bundesligisten fallen im Moment neun mit zum Teil schweren Verletzungen aus. In der anstehenden Länderspielpause trainiert Coach Velimir Petkovic mit sechs Leuten – es geht zu wie in der Kreisliga. „Es hat uns richtig schlimm erwischt“, bestätigt Volker Zerbe. Dass die Verletzungen auch auf die Teilnahme an der Klub-WM in Doha zurückzuführen sind, bei der die Füchse drei Spiele binnen fünf Tagen absolvierten, bestreitet der Sportdirektor jedoch entschieden. „Solche Sachen können täglich im Training passieren. Wir haben uns im Sommer ganz normal vorbereitet, ein paar Spiele in der Bundesliga und ein paar im DHB-Pokal gemacht“, sagt Zerbe, „aber wir befinden uns jetzt nicht in einer Extremsituation, zumal wir noch keine Europapokal-Belastung haben. Wir hatten einfach verdammt viel Pech.“

WM wir sogar noch aufgestockt

Zerbe kann den Vergleich zu aktiven Zeiten ziehen; der 2,11-Meter-Mann hat 284 Länderspiele für Deutschland bestritten, nur drei Spieler (Frank-Michael Wahl, Klaus-Dieter Petersen und Christian Schwarzer) kommen auf noch mehr Einsätze. Zerbe sagt also: „Es ist schon so, dass die Belastung höher geworden ist, weil einige Wettbewerbe dazugekommen sind.“ Wettbewerbe wie der Super Globe oder die mit unfassbar vielen Spielen aufgeblähte Vorrunde der Champions League. Kürzlich hat der Weltverband IHF gegen den ausdrücklichen Wunsch der Vereine und Nationalverbände sogar eine Aufstockung der Weltmeisterschaft verfügt. Ab 2021 nehmen 32 statt der bisher üblichen 24 Teams teil.

Andererseits verweist Zerbe darauf, dass die Spieler im Vergleich zu seiner aktiven Karriere wesentlich besser betreut würden. „Ärztliche Behandlung, Vorsorge-Untersuchungen, Ernährung – darauf geht man heutzutage viel mehr ein als früher“, sagt der Füchse-Sportdirektor. Grundsätzlich könne er die von Glandorf geäußerte Kritik aber verstehen. „Gerade die Spitzenvereine, die Bundesliga, DHB-Pokal und Champions League spielen und für die großen Turniere zig Spieler abstellen, leiden unter der Belastung.“

Bei den Füchsen hatten immerhin zwei Spieler Glück im Unglück: Mattias Zachrisson und Fabian Wiede dürfen nach ihren Verletzungen auf eine baldige Rückkehr hoffen, Anfang Dezember sollen sie wieder trainieren – die WM liegt also im Bereich des Machbaren. Wenn nicht wieder eine Verletzung dazwischenkommt.

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