WM 2014: Skurrile Statistiken zur Fußball-WM
Pünktlich zum Turnieranfang kommen die ersten Statistiken auf den Markt. Wer ist Weltmeister in Fettleibigkeit? Beim Alkoholkonsum? und nicht zuletzt wer wird Weltmeister im Fußball?
Vielleicht liegt es ja am Neid auf die karibische Sonne, aber warum genau laut „New York Times“ sieben Prozent der deutschen Fans eine Abneigung gegenüber dem honduranischen Team verspüren, wird sich wohl nie restlos aufklären lassen. Klug wäre ein angezettelter Konflikt mit den Honduranern indes nicht. Gäbe es eine Weltmeisterschaft in Sachen Mordrate – und natürlich gibt es sie, beim „Wall Street Journal“, warum auch nicht? – hätte Honduras mit 91 Mordopfern pro 100 000 Einwohnern einsam und unbestritten die blutige Hand am Pokal. Also lieber die Füße stillhalten, wenn Honduras spielt. Oder einfach auf den Konsum eigenartiger Statistiken verzichten. Die Weltmeisterschaft ist nicht nur ein Fußballfest für die Fans. Unter Statistikern und Mathematikern scheint die Euphorie fast noch größer zu sein. Keine Erhebung scheint zu abseitig, kein Pie-Chart zu unerheblich, als dass sich eine Veröffentlichung nicht lohnte.
Weltmeister in Fettleibigkeit? Natürlich die USA. Wo sich 60 Prozent der Bürger nicht für die WM interessieren und das eigene Team gar das unbeliebteste ist. Ebenso würden fünf Prozent der befragten Südkoreaner die eigene Mannschaft gnadenlos ausbuhen, wobei es sich dabei auch um irrtümlich befragte nordkoreanische Undercover-Agenten handeln könnte. Weltmeister im Alkoholkonsum ist derweil Russland, wo erstaunliche 15 Liter Alkohol pro Kopf und Jahr getrunken werden und 21 Prozent davon ausgehen, dass Russland auch Weltmeister wird. Ob diese Zahlen in kausalem Zusammenhang zueinander stehen, ist eine eigene Erhebung eigentlich nicht mehr wert.
Viel interessanter ist ja auch: Wer ist Weltmeister im Pro-Kopf-Bohnenverzehr? Kamerun. Oder in Sachen niedrigster Spritpreis? Algerien. In Sachen Internet-User, Starbucks, Nobelpreise? Niederlande, USA, Schweiz. Puh, durchatmen.
Statistik ist die Hure der Wissenschaft, geht ein geflügeltes Wort, und in diesem WM-Sommer mag das angesichts der Fülle nutzloser Zahlen ein wenig wahrer sein als sonst. Mitunter scheint es aber auch, als hätten die Befragten einfach ein wenig zu lange in der brasilianischen Sonne gelegen. Warum etwa 10 Prozent aller Japaner denken, dass das englische Team den schönsten Fußball der ganzen Welt spielt, erschließt sich auch nicht auf den zweiten Blick. Möglicherweise eine kulturelle Diskrepanz, nach der in Japan weite, lange Bälle aufs Stadiondach und verschossene Elfmeter als schön empfunden werden. Nachvollziehbarer scheint da schon zu sein, dass ganz unabhängig von der Nationalität die Mehrzahl der Befragten Brasilien als kommenden Weltmeister sieht. Mit Ausnahme der USA, natürlich, deren künftiger Weltmeister trotz allem USA heißt. Honduras? Unser Hausstatistiker hat sich aus dem Karibikstaat leider nicht mehr gemeldet.
Stephan Reich