Erfolgreicher Berliner bei der Tour de France: Simon Geschke gewinnt Alpenetappe
Der Berliner Radprofi Simon Geschke hat am Mittwoch die 17. Etappe der 102. Tour de France gewonnen. Der 29-Jährige erreichte das Ziel in Pra Loup im Alleingang etwa 30 Sekunden vor dem zweitplatzierten Andrew Talansky aus den USA.
Simon Geschke kämpfte. Er keuchte, die Zunge hing heraus, berührte seinen gewaltigen Bart. Ein Kilometer, 500 Meter, 100 Meter. Dann riss er erleichtert die Arme in die Höhe: Der Berliner hatte als Erster die Ziellinie von Pra Loup überquert und nach Flucht am letzten großen Anstieg und folgender Alleinfahrt die Alpenetappe am Mittwoch gewonnen – mit einer halben Minute Vorsprung.
Es war eine große Belohnung für den Berliner, der der aktivste deutsche Radprofi bei dieser Tour de France ist. Mehrfach schaffte er den Sprung in eine Ausreißergruppe. Am Montag wurde er sogar Etappenvierter. Das war ein schöner Erfolg für den 29-Jährigen, aber eigentlich wollte er doch noch mehr. Und gestern klappte es endlich. „Ich weiß, dass ich keine Etappe im Massensprint gewinnen und mich auch nicht gegen die besten Kletterer durchsetzen kann. Also muss ich in die Gruppe.“
Da geht es Simon Geschke wie zahlreichen anderen Fahrern im Feld, die über kein ganz besonders ausgeprägtes Talent verfügen. Bessere Karten als mancher Kollege hat Geschke aber doch, meint jedenfalls sein sportlicher Leiter Marc Reef. „In einer Ausreißergruppe gibt es nicht viele, die schneller im Sprint sind als Simon. Und über die Berge kommt er auch ganz gut.“ Jedenfalls über die mittleren Anstiege. Beim etwa 400 Höhenmeter umfassenden Anstieg zum Col de Manse bei Gap attackierte er sogar aus der Spitzengruppe heraus. Auf der gefährlichen Abfahrt – in der Favoritengruppe stürzte hier der Brite Geraint Thomas – kam Geschke freilich nicht aus dem Staunen heraus über den schnittigen Peter Sagan: „Enorm, wie spät der bremst“, sagt er über den Mann im grünen Trikot, der am Ende Etappenzweiter wurde.
Geschke hatte allerdings auch aerodynamische Nachteile. Nach dem Ausstieg des Italieners Luca Paolini trägt er den mächtigsten Bart im Peloton. Das bremst. Sich von ihm trennen will Geschke aber nicht. Er geht vielmehr vor jedem Rennen zum Barbier im Startvillage der Tour, um ihn richten zu lassen. So viel Zeit für Ästhetik muss sein.
In seinem Team Giant Alpecin hat Geschke einen festen Platz. Er ist der einzige, der den Klassementfahrer des Rennstalls, den jungen Franzosen Warren Barguil, ein wenig in den Bergen unterstützen kann. Der bärtige Geschke und Milchbart Barguil geben dabei ein kurioses Paar ab. Steht ein Sprintfinale in Aussicht, muss er John Degenkolb über die Hügel davor schleppen. Zuweilen bringen ihn diese Helferdienste selbst in eine hoffnungsvolle Ausgangsposition. An der Mur-de-Bretagne sollte er Barguil in eine gute Ausgangsposition lotsen, fand sich aber plötzlich ganz allein an der Spitze. Er schaute sich zu lange nach seinem Teamgefährten um – und schon war die Chance vorbei. Geschke ist allerdings ein Typ, der das wegsteckt – und den Blick auf die nächsten Chancen richtet. Er macht das übrigens Tag für Tag. Fragt man ihn nach Absichten für spätere Tage, macht er oft den Eindruck, sich den Parcours noch gar nicht detailliert angeschaut zu haben.
Für die Zeit in den Alpen hatte er sich wieder einen Ausreißversuch vorgenommen. Wann genau, hatte er nicht verraten, auch gestern vor der 17. Etappe nicht. „Ich bin ein Rennfahrer, der aus dem Bauch heraus entscheidet“, hatte er am Mittwoch vor dem wohl größten Erfolg seiner Karriere gesagt.