Formel 1 in Ungarn: Sebastian Vettel will sich keine Ausrutscher mehr leisten
Ferrari-Pilot Sebastian Vettel strebt nach seinem Fehler in Hockenheim nun beim Großen Preis von Ungarn einen Erfolg an.
Sollte Sebastian Vettel diese Formel-1-Saison als Weltmeister beenden, wird man ihm eines nicht vorwerfen können: Dass er den einfachen Weg nach oben gewählt hat. Zur Beweisführung lohnt vor dem Rennen an diesem Sonntag in Ungarn (15.10 Uhr/live auf RTL) ein Blick zurück – auf den Freitag vor einer Woche. Die Piloten hatten gerade ihre Trainingsrunden in Hockenheim gedreht, und als Nächstes stand für sie die Fahrerbesprechung an. Vor den Aufzügen neben dem Fahrerlager standen ein paar Liftboys, sie sollten die Rennfahrer in den vierten Stock lotsen. Ein Weg, der eine gewisse Bequemlichkeit versprach. Sebastian Vettel? Wählte die Treppe.
Am vergangenen Sonntag bewies der Ferrari-Pilot noch eindrucksvoller, dass ihm der direkte Weg zum Ziel nur bedingt liegt. 15 Runden hätte Vettel in Hockenheim noch drehen müssen. Vor ihm fuhr niemand, direkt hinter ihm auch nicht. Im Prinzip ging es nur darum, die Augen weiterhin offen und auf dem Kurs zu halten, vor den Kurven einzulenken und auf den Geraden Gas zu geben. Eine simple Mission für einen viermaligen Weltmeister – zu simpel für Vettel.
Plötzlich hing er in der Werbebande, hilflos wie ein dreijähriger Bobbycarfahrer an der Bordsteinkante, unfähig die Kiste auf den Kurs zurückzubringen. Was blieb, war Bitterkeit. Vettels Fäuste trommelten auf das Lenkrad ein, als habe dieses entschieden, den Ferrari direkt ins Kiesbett zu manövrieren. Der Heimsieg in Hockenheim, 25 Punkte, die WM-Führung – alles verschenkt!
Vor dem Malheur von Hockenheim, wo Vettel in der feuchten Sachskurve rausrutschte, hatte er sich auch schon in Le Castellet und Baku nachlässig gezeigt. In Frankreich fuhr er mit Valtteri Bottas (Mercedes), in Aserbaidschan kostete ein Überholmanöver – wieder gegen Bottas – entscheidende Punkte. Dazwischen liegen auch immer wieder brillante Leistungen, aber brillant fahren kann Lewis Hamilton, der Weltmeister und Vettels großer Konkurrent im Mercedes, ebenfalls. So eng wie die WM bislang verläuft, könnten nicht Brillanz und das bessere Auto über den weiteren Fortgang entscheiden, sondern der bessere Fahrer. Also derjenige, der weniger Fehler macht.
Das Qualifying für das Ungarn-Rennen lief für Vetter eher suboptimal
Auf dem nördlich von Budapest gelegenen Hungaroring, wo Vettel im vergangenen Jahr gewann, will Ferrari jedenfalls beweisen, dass Hockenheim der letzte unnötige Ausrutscher war. Beim Qualifying am Samstag gelang es Vettel im Regen allerdings noch nicht. Er wurde nur Vierter, Hamilton holte sich die Pole Position vor seinem Teamkollegen Bottas und Kimi Räikkönen (Ferrari).
Hamilton konnte frohlocken: „Wir haben das nicht erwartet. Ferrari war an diesem Wochenende am schnellsten und wir haben unser Bestes getan, um aufzuholen. Dann öffnete sich der Himmel und es war ein faires Spiel.“ Vettel hingegen blieben erst mal nur Durchhalteparolen. „So schlecht war es nicht. Bei den Bedingungen kann alles passieren. Es kommt auf den Start und die erste Runde an, es ist noch nicht aller Tage Abend“, sagte er. Der Heppenheimer bezeichnete die Qualifikation als „knifflig“, es sei nicht leicht gewesen, den Wagen auf der Strecke zu halten. „Am Ende waren wir einfach nicht schnell genug“, sagte Vettel.
Dabei wäre ein Sieg in Budapest nicht nur für ihn wichtig, sondern für die komplette Crew. Ferraris Mechaniker und Ingenieure haben Vettel ein Auto hingestellt, von dem sie glauben, es sei Mercedes eine Nasenlänge voraus, inzwischen wohl auch mehr. 38 PS soll der rote Motor stärker als der silberne sein, möglicherweise dank eines Software-Updates. Der Mercedes-Teamchef Toto Wolff kommentiert den Unterschied so: „Was sie da auf den Geraden zeigen, da können wir gegenwärtig nicht mithalten. Wir müssen uns das anschauen und besser werden.“ Eine halbe Sekunde sei Mercedes hintendran, befand er. Stärkeres Auto, nervenschwacher Fahrer? Das würde im Ferrari-Lager naturgemäß Zweifel heraufbeschwören, wo doch eine Einheit stehen soll.
Nach dem Tod von Ferrari-Boss Sergio Marchionne, den viele in Italien als Ende einer Ära deuten, ist die Stimmung bei Ferrari sowieso gedrückt. „Es ist kein einfaches Wochenende“, sagte Vettel, „aber wir versuchen, unseren Job zu machen.“
Nach dem Rennen in Ungarn pausiert die Formel 1 einen Monat lang
Nach dem Rennen in Ungarn pausiert die Formel 1 einen Monat lang, erst am 26. August geht es im belgischen Spa weiter. An Vettel liegt es, sich und seinem Team allen Umständen zum Trotz ein gutes Gefühl mitzugeben und den Glauben aufrecht zu erhalten, Mercedes wirklich schlagen zu können.
Auch Vettel ist bewusst, dass dieses Signal von ihm ausgehen muss. „Jeder weiß, was wir tun können“, sagte der 31-Jährige. Die Lehren aus Hockenheim glaubt Vettel gezogen zu haben: „Es gibt Fehler, die sollten einem nicht unterlaufen, andere wiederum passieren. Ich versuche, die Fehler zu minimieren.“ Nicht zu hart dürfe man mit sich ins Gericht gehen, meinte er noch. Soll heißen: Das Heimspiel vergessen, nach vorne schauen.
Der stärkere Motor wird Ferrari auf dem Hungaroring nur bedingt nutzen: Wegen der vielen langsamen Kurven geht es eher um aerodynamische Effekte. „Es ist kein Powerkurs, daher wird Ferrari hoffentlich seine Extrapower nicht so viel bringen“, sagte Hamilton, zuletzt Profiteur Vettelscher Fahrlässigkeit.
Bei Ferrari gibt der neue Chef, Louis Carey Camilleri, stattdessen eine klare Richtung vor: „Der WM-Sieg ist das einzige Ziel Ferraris“, zitierte die „Gazzetta dello Sport“ Camilleri. Falls Sebastian Vettel künftig auch mal die einfachen Wege zu Ende geht, ist das durchaus möglich.