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Eine Halle voller Tischtennis. Auch bei den deutschen Meisterschaften geht es an vielen Platten zur Sache.
© picture alliance / dpa

Deutsche Meisterschaften im Tischtennis: Sebastian Borchardt ist aus Erfahrung gut

Der Berliner Sebastian Borchardt gehört zu Deutschlands besten Tischtennisspielern – obwohl er fast gar nicht mehr trainiert. Am Wochenende tritt er bei den Titelkämpfen in seiner Heimatstadt an.

Am vergangenen Samstag war Sebastian Borchardt lange vor Sonnenaufgang bei der Arbeit. Borchardt ist bei einer Krankenkasse für IT-Projekte zuständig – momentan steht dort ein sehr wichtiges Projekt an. Mittags fuhr er in eine Weddinger Sporthalle. Dort traf seine Mannschaft Hertha BSC in der Dritten Liga auf Union Velbert, der Gegner kam ohne seine beiden besten Spieler. Also bestritt Borchardt das Doppel und bat dann den Ersten Vorsitzenden Gerd Welker, die Einzel auslassen zu dürfen. „Wir haben uns kurz angeschaut und gesagt: ,Geh zurück zur Arbeit.’ Und weg war er“, sagt Welker. Hertha gewann klar mit 6:1.

Borchardt ist der beste Tischtennisspieler der Stadt, sieben Mal war er im Einzel Berliner Meister. An diesem Wochenende ist er bei den deutschen Meisterschaften im Sportforum Hohenschönhausen dabei. Außer ihm spielen aus Berlin Sebastian Stürzebecher (TTC Düppel) und Sina Henning von den Füchsen Berlin. In der deutschen Rangliste pendelt Borchardt um Platz 30, in der Liga hat er in der Saison bislang 17 von 22 Einzeln gewonnen. Mit einem Trainingsaufwand, den mancher Kreisligaspieler übertrifft. Im Normalfall trainiert Borchardt einmal die Woche. Für mehr reicht die Zeit nicht. Tischtennis ist nicht mehr die Nummer eins.

„Die Prioritäten haben sich in den letzten Jahren verschoben“, sagt der 33-Jährige. Er hat zwei Kinder, ist viel beschäftigt im Job und hat ein Haus gebaut am Rande der Stadt. „Ich hatte auch mal andere körperliche Voraussetzungen“, sagt Borchardt. Doch Tischtennis gehört nicht zu den Sportarten, in denen der größte Athlet automatisch im Vorteil ist. „Er kombiniert Talent mit großer Erfahrung“, sagt Herthas Welker. „Ich habe vieles von früher konserviert“, sagt Borchardt.

Früher, damit meint er zum Beispiel die ersten Jahre nach der Schule. Als die Zeit da war, hat er täglich stundenlang trainiert. Danach wechselte er manchmal noch die Halle, um mit seiner Frau an der Platte zu stehen. Tischtennis war die Nummer eins. Davon zehrt er jetzt. „Ich bin nicht mehr in Topform. Aber es läuft noch erstaunlich gut.“ Antizipation, Taktik, gute Aufschläge, so etwas verlernt man nicht. Spaß macht es ihm immer noch. Sehr viel sogar.

Mit Mutter Heike Platz zwei im Mixed

Den rot-schwarzen Schläger und den weißen Ball lernte Borchardt bereits als kleines Kind kennen. Seine Eltern gehörten in der DDR zu den besten Tischtennisspielern, beide sind heute noch auf gutem Niveau aktiv. Mit seiner Mutter Heike ist er im Mixed vor einigen Jahren Zweiter bei der Berliner Meisterschaft geworden. Borchardt begann in Marzahn beim MTTV Violetta, mit 13 spielte er in Berlin bei den Titelkämpfen der Erwachsenen mit. Regionalliga, Zweite Liga – und dann Bundesliga? Wäre möglich gewesen. Er gewann vor vielen Jahren ein Spiel gegen Dimitrij Ovtcharov, hatte Satzbälle gegen Timo Boll. Als er mit Tennis Borussia sportlich in die Bundesliga aufstieg, verzichtete der Verein freiwillig. Später hatte Borchardt Angebote aus der Ersten Liga, aber das wäre viele Hundert Kilometer weg von Berlin gewesen. Borchardt entschied sich dagegen, spielte bei Hertha BSC in der Zweiten Liga. Inzwischen in der Dritten.

Bei den deutschen Meisterschaften hätte er eigentlich schon an diesem Freitag antreten müssen. Durch mehrere Absagen – unter anderem von Ovtcharov – ist er jedoch ins Hauptfeld gerutscht und spielt erst Samstag. Ob das ein Vorteil ist, wird sich zeigen. „Ich treffe auf jemanden, der schon drei Spiele gemacht hat und ich bin dann noch blank“, sagt Borchardt. Da muss eben wieder die Erfahrung helfen. Und der Heimvorteil. Die angejahrte Sporthalle mit ihren weniger als 2000 Plätzen liegt nur 15 Minuten mit dem Auto von Borchardts Haus weg, er hat dort viele Turniere gespielt. Sie hat mit modernen Arenen so viel gemein wie die aktuellen Temperaturen mit Frühling. „Einige, die die Halle nicht kennen, werden überrascht sein“, vermutet er.

"Im Doppel ist immer etwas drin"

Im Einzel will er mindestens eine Runde überstehen, „und im Doppel ist immer etwas drin.“ Dreimal war er bereits Dritter. Auch diesmal sind reichlich zusammengewürfelte Duos dabei. Borchardt, Rechtshänder, spielt in Hohenschönhausen mit Eric Schreyer vom Post SV Mühlhausen, der ebenfalls in der Dritten Liga aktiv ist. Schreyer ist Linkshänder, beide kennen sich gut. Rechts-Links-Kombinationen sind stets ein vielversprechender und für Gegner unangenehmer Mix im Tischtennis.

Hertha BSC ist derzeit Dritter in der Dritten Liga, der Aufstieg ist nicht mehr machbar. Kommende Saison folgt der nächste Versuch. „Wir wollen hoch“, sagt Borchardt. Weniger Training bedeutet nicht weniger Ehrgeiz. Falls es mit dem Aufstieg klappt, würde er wieder öfter in der Halle erscheinen: „Das würde ich zeitlich schon irgendwie hinkriegen.“

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