Paralympics: Schwimmer Sebastian Iwanow: Über Funchal nach Rio
Schwimmer Sebastian Iwanow fehlt noch die Norm für die Paralympics in Rio. Das Training in Berlin und die EM in Funchal sollen das ändern.
Wenn Berlin ruft, steht für Sebastian Iwanow meist etwas Großes an. 2012 vor den Paralympics in London hat Deutschlands erfolgreichster Schwimmer der letzten Jahre bereits in Berlin trainiert, vor den Spielen in Rio hat es ihn nun wieder zu seinem Trainer Phillip Semechin an den Olympia-Stützpunkt in Hohenschönhausen gezogen.
„Wir waren vor und nach London schon ein erfolgreiches Team und haben viele Medaillen zusammen geholt. Daran wollen wir nun anknüpfen“, sagt der 30-Jährige, der in London Silber über 100 Meter Freistil und Bronze über 100 Meter Rücken gewann, 2010 Weltmeister über 100 Meter Freistil war und aktuell noch Europameister über 50 und 400 Meter Freistil ist.
Seit Februar lebt er wieder in Berlin
Ganz freiwillig war der Umzug nach Berlin jedoch nicht. Iwanow, der seit 1990 schon für die SG Bayer Leverkusen startet und in Wuppertal trainierte, wollte sein Studium der Sozialwissenschaften eigentlich in Nordrhein-Westfalen fortsetzen. „Die Kurse konnten aber nicht so angerechnet werden, wie ich mir das vorgestellt habe“, sagt er – und zog daraufhin im Februar wieder nach Berlin. „Die Bedingungen hier sind einfach top. Ich kann das gut mit dem Studium vereinbaren“, freut er sich. Ein bis zwei Kurse besucht er pro Woche in der Uni. Je nachdem, in welchem Trainingszyklus er sich befindet, gibt es vor und nach der Vorlesung noch je eine Einheit im Wasser.
In den letzten Tagen weilt Iwanow allerdings in Portugal, genauer gesagt in Funchal, der Hauptstadt der Insel Madeira. Am Sonntag startet er bei der Europameisterschaft über 100 Meter Rücken, am Dienstag über die 100 Meter Freistil, am Donnerstag krault er abschließend im 50-Meter-Sprint.
Funchal ist der erste Messpunkt im paralympischen Jahr
Die Temperaturen sind angenehm, der Zeitplan „locker“. Doch Iwanow lässt durchblicken, dass er sportlich nicht weiß, wo er aktuell so richtig steht. Mit Trainer Semechin hat er absichtlich wenig Wettkämpfe eingeplant, Funchal ist der erste Messpunkt im paralympischen Jahr. „Ich bin zufrieden mit dem Training, habe aber keine Ahnung, was das wert ist. Über 50 Meter Freistil vermute ich meine besten Chancen“, sagt Iwanow, für den die EM aus einem bestimmten Grund besonders wichtig ist.
Bislang ist es ihm nicht gelungen, eine vom Deutschen Behindertensportverband geforderte Qualifikationsnorm für Rio zu unterbieten. Das soll sich in Funchal ändern. „Ich bin optimistisch. Klar möchte man bei einem großen Wettkampf wie der EM auch eine Medaille holen, das will ich immer, wenn ich ins Wasser steige. Aber der Fokus liegt auf den Paralympics“, sagt er, der in Glasgow bei der WM im vergangenen Jahr neu klassifiziert wurde.
Viele seiner Gegner seien aus einer höheren Klasse heruntergestuft worden und hätten eine größere Körperfunktion als er, der trotz Schulter-Operation nicht umklassifiziert wurde, sondern in der Startklasse S6 bleiben musste. „Ich bin damit zwar nicht zu 100 Prozent zufrieden, aber ändern kann ich es auch nicht, sondern nur das Beste draus machen“, sagt der Student.
"Erst qualifizieren, dann weiterschauen"
Rio-Gold wäre zwar sein Traum, weil ein Paralympicssieg in seiner Vita als einziger Erfolg noch fehlt, „doch aktuell ist das unrealistisch. Die Konkurrenz ist zu stark. Aber ich denke da im Prinzip der kleinen Schritte: Erst qualifizieren, dann weiterschauen.“
Dass er nach seiner Operation die Schulter immer wieder spürt und im Herbst letzten Jahres links eine Sehne angerissen hatte, stört ihn nach eigener Aussage in den letzten Wochen nicht sonderlich. Er scheint fokussiert zu sein auf das Ziel im September, denn Funchal soll eigentlich nur eine Durchgangsstation zur Normerfüllung sein, glaubt man seinem Trainingsplan. Dort steht nämlich, dass Iwanow die Internationalen Deutschen Meisterschaften im Juni in Berlin schwimmen und dann in einem größeren Trainingsblock die Grundlagen für die Paralympics legen möchte. „Das schnellste Rennen“, sagt der Bayer-Athlet vielsagend, „will ich in Rio abliefern.“