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Kreuzberg staunt. Das Publikum bewunderte die Bogenschützen.
© promo

Bogenschießen: Schützenfest am Anhalter Bahnhof

In Berlin duellieren sich die besten Bogenschützen der Welt und begeistern das Publikum. Ein Ortstermin.

Am beeindrucktesten ist die Stille in der Arena kurz vor dem Schuss. Dann hört man das Zischen des losbrausenden Pfeils und das dumpfe Geräusch, wenn sich die Pfeilspitze in die Zielscheibe bohrt. Direkt danach trommelt das Klatschen der Fans durch die Arena am Anhalter Bahnhof, seltener ein verschrecktes Ui, wenn die Athleten keine gute Ringzahl geschossen haben.

Der Recurve-Bogen-Weltcup in Berlin demonstriert am Sonntagnachmittag den mehr als 1000 Zuschauern auf dem Lilli-Henoch-Sportplatz einen archaischen Sport. Und das nicht nur, weil Bogenschießen im englischen „Archery“ genannt wird, sondern weil man sich eben gut vorstellen kann, dass schon vor hunderten von Jahren Pfeil und Bogen nicht nur für Kriegszwecke, sondern auch zum sportlichen Wetteifern benutzt wurden.

Die Athleten stehen nur wenige Meter nebeneinander auf einer Bühne, wechseln sich im Zielen auf die 70 Meter entfernten Scheiben im schnellen Takt ab – und das zum Glück nicht mit tödlicher, sondern mit koreanischer Präzision. Die Wettbewerbe im Mixed und bei den Frauen entscheiden die Sportler aus Südkorea für sich. In den Finals gelingt es den Koreanern sogar, zwei perfekte Sätze abzuliefern und reihenweise die Höchstpunktzahl zu schießen. Viermal hintereinander die „Zehn“ im Mixed, dreimal bei den Frauen. Innerhalb von wenigen Augenblicken. Was bleibt, ist das Kopfschütteln bei den Gegnern, gut zu sehen auf der Videoleinwand im Stadion.

Koreanische Präzision und internationales Familienfest

Der Weltcup in Berlin, der erst mit den Qualifikationen am Olympiastadion an den Finaltagen in Kreuzberg ausgetragen wird, ist nicht nur ein koreanisches Schützenfest, sondern auch ein internationales Familienfest. Das erkennt man nicht nur daran, dass im Stadion erst die englischen Ansagen gemacht werden und dann die deutschen. Auf den eigens errichteten Tribünen murmelt es in verschiedenen Sprachen, der Bogenschieß-Fan ist es gewöhnt, leise zu diskutierten.

Laut wird es, als das junge türkische Team um Mixed-Bronze kämpft, danach nur auf Kommando. „Jetzt alle aufstehen, damit wir unsere Sportler feiern können“, fordert der deutsche Stadionsprecher. Die Besucher gehorchen und es wird tatsächlich laut. Sekunden später: Wieder Staunen und Schweigen, nur unterbrochen von einem vereinzelten Raunen. Auf der Tribüne macht sich Fachpublikum bemerkbar. So prophezeit ein Stadiongast reihenweise Zehnerschüsse, ehe die Pfeile ihr Ziel erreichen. „Einen guten Schuss kann man schon an der Armhaltung des Schützen erkennen“, sagt der Experte. Sein Platznachbar zuckt mit den Schultern. Er ist da, weil das Wetter gut ist und er Bogenschießen während der Olympischen Spiele von Rio gerne im Fernsehen gesehen hat.

Die Leistungen der Frauen werden übrigens von ihnen und allen anderen Besuchern mit besonders lauten Ovationen honoriert. Zwar verschwinden die Athletinnen fast hinter ihren riesigen Hightech-Bögen, doch treffen sie im Mixed oft besser als ihre männlichen Teamkollegen. Den wärmsten Applaus bekommt die junge Ukrainerin Veronika Marchenko, die bei den Frauen nach katastrophalem ersten Satz mit einem großen Comeback Bronze gewinnt.

Hannes Hilbrecht

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