zum Hauptinhalt
Präsident Werner Gegenbauer und Investor Lars Windhorst wollten am Donnerstag Geschlossenheit demonstrieren.
© Andreas Gora/dpa

Keine Zukunft für Jürgen Klinsmann: Schlichtung statt Brechstange bei Hertha BSC

Herthas Führung und Investor Windhorst demonstrieren Einigkeit – für Ex-Trainer Klinsmann gibt es auch in den Aufsichtsrat kein Zurück mehr.

Werner Gegenbauer und Michael Preetz hatten ihren wichtigsten Trumpf in ihre Mitte genommen – Investor Lars Windhorst. Der 43-jährige Ostwestfale saß mit durchgedrücktem Rücken auf dem Podium, über dem blütenweißen Einstecktuch prangte eine Hertha-Anstecknadel. Sie war um einiges größer als die, die Gegenbauer trug. Und der ist immerhin der Präsident.

Zwei Tage hat die Führung von Hertha BSC sich Zeit genommen, um nach dem Abgang von Jürgen Klinsmann zu sich zu kommen und die Sprachlosigkeit zu beenden. „Aus meiner Sicht, und das ist die des Vereins“, hob Gegenbauer an, habe Klinsmann nicht nur Hertha, „sondern auch das gemeinsame Projekt verlassen“. Klinsmann wird also auch nicht mehr für Investor Windhorst in den Aufsichtsrat zurückkehren.

„Ich bedauere sehr, dass uns Jürgen Klinsmann abrupt verlassen hat, ich denke, er bereut seine Entscheidung, die war doch sehr emotional“, sagte Windhorst. Eine weitere Zusammenarbeit im Aufsichtsrat sei nach der Art und Weise des Abgangs nicht vorstellbar, dadurch habe Jürgen Klinsmann an Glaubwürdigkeit verloren, „schade“, wie Windhorst hinzufügte.

Hertha habe das Potenzial, ein bedeutender Klub zu werden

Anfang November 2019, als Windhorst über seine Tennor Holding eine zweite Tranche über 99 Millionen Euro an Hertha überwies und dafür seine Anteile an der Hertha BSC Kommanditgesellschaft auf Aktien (kurz KGaA) auf 49,9 Prozent aufstockte, kam auch Klinsmann mit ins Boot. Windhorst hatte den Weltmeister von 1990 und früheren Bundestrainer als seinen Generalbevollmächtigten Sport in den Aufsichtsrat der KG berufen. Als dieser dann drei Wochen später das Amt des Cheftrainers übernahm, ruhte seine Tätigkeit im Gremium.

Trotz des Rückschlags, wie Windhorst das Ausscheren Klinsmanns nannte, werde er an seinem Investment festhalten. Im Gegenteil, er sei nach wie vor überzeugt vom Potenzial des Klubs. Im Sommer 2019 hatte Unternehmer Windhorst in einer ersten Rate für 125 Millionen Euro 37,5 Prozent der Anteile erworben. Hertha habe das Potenzial, in Deutschland und Europa „ein bedeutender Fußballklub zu werden“, sagte Windhorst. Er vermied dieses Mal die Rede vom „Big City Club“.

Windhorst betonte, dass er sich im Klaren sei, dass das Geld vielleicht nicht ausreichen werde. „Hertha ist in der Mittelklasse, wir haben nicht investiert, um da zu bleiben“, sagte der Investor unmissverständlich. „Es gibt überhaupt gar keinen Grund und auch keine Ausrede dafür, warum Hertha BSC als Fußballklub der Hauptstadt Deutschlands es nicht schaffen soll, in den nächsten Jahren in führender Position in Deutschland und Europa mitzuspielen.“ Und das dürfen sowohl Präsident Gegenbauer als vielmehr noch Geschäftsführer Michael Preetz als Auftrag, ja geradezu als Auflage verstehen.

Jürgen Klinsmann wird nach seinem Rücktritt als Trainer auch den Aufsichtsrat verlassen.
Jürgen Klinsmann wird nach seinem Rücktritt als Trainer auch den Aufsichtsrat verlassen.
© Soeren Stache/dpa

„Ich habe von Werner Gegenbauer das Wort bekommen, dass er dieses Ziel mitgehen möchte“, betonte Windhorst gleich mehrmals an diesem Tag. Das kurzfristige Ziel sei der Klassenerhalt, „im nächsten Jahr ist das Ziel, Europa zu erreichen. Langfristig wollen wir uns in Europa und in Deutschland oben etablieren.“

Doch während Windhorst eine spätere Zusammenarbeit mit Klinsmann nicht grundsätzlich ausschloss („Ich schlage nie Türen zu“), tat das Gegenbauer. Der Verein hätte sich gerne die Strahlkraft und Werbung für internationale Werbepartner sichern wollen, aber das sei jetzt kaputtgegangen. „Deswegen gibt es aus meiner Sicht überhaupt keinen Weg zurück mehr“, sagte Herthas Präsident.

Windhorst bedauert Klinsmann Rückzug

Windhorst bezeichnete es als Gewinn, Klinsmann für Hertha engagiert zu haben. Er habe eine „unglaubliche Zugkraft und Strahlkraft“ gehabt, die dem Verein „gut getan hat“. Wegen Klinsmann sei der Klub kurz davor gewesen, „wirklich große Sponsoren für Hertha an Land zu ziehen“. Er bedauere im Nachhinein, das Engagement mit Klinsmann für Hertha nicht „dingfest“ gemacht zu haben.

Zudem sagte Windhorst, dass er als Investor „keine Renditeerwartung“ habe und dass die „zeitliche Range“ seines Investments auf mindestens zehn Jahre angelegt sei, er aber auch nichts dagegen hätte, wenn es 20 oder 30 Jahre werden würden. Es sei sogar eher bereit, „die Anteile aufzustocken, wenn das möglich ist“, sagte Windhorst. Derzeit untersagt dies die im deutschen Profifußball geltende 50+1-Regel.

Windhorst wirkte aufgeräumt und klar. Er erzählte, dass man ihm in seinem Unternehmen genau vor dieser 50+1-Regel gewarnt habe, wodurch man als Investor keine Kontrolle und „keine Durchgriffsmöglichkeiten“ hätte. Auch ein möglicher Börsengang, wie immer mal wieder von Hertha-Mitgliedern und Hertha-Fans in den Foren diskutiert wie befürchtet wird, sei „derzeit als Thema nicht relevant“. Diese Entscheidung müsste in den Gremien von Hertha besprochen werden. „Ich will nicht mit der Brechstange die Hertha-Kultur verändern.“

Allerdings strich Windhorst auch seine Erwartungen noch einmal heraus. Es gehe ihm nicht darum, Macht anzustreben, sondern im Dialog mit den Verantwortlichen gemeinsam die Ziele zu verfolgen. Ein kritischer Dialog sei durchaus möglich, aber es müsse „ein Grundverständnis“ geben. Nur wenn es das nicht mehr geben sollte, würde er sich stärker einbringen. Sollte ein Ziel nicht erreicht werden, würde er sich fragen müssen, warum nicht? „Dann steht man immer ein bisschen dumm da.“

Spätestens hier kam Michael Preetz ins Spiel, dessen Wirken unter Beobachtung steht. Seine Entscheidung im Sommer für Ante Covic nach Pal Dardai führte erst in die sportlich prekäre Situation. Zuletzt wurde er auch von Klinsmann angegriffen, der mehr Befugnisse und Kompetenzen für sich gefordert hatte. Tatsächlich habe es darüber einen „inhaltlichen Dissens“ gegeben, sagte Preetz, aber bei Hertha hätten sein Geschäftsführerkollege Ingo Schiller und er das letzte Wort. „Das ist unverhandelbar“, sagte Preetz.

Sportlich werde man mit Klinsmanns früheren Assistenten, Alexander Nouri und Markus Feldhoff, „in die nächsten Wochen gehen“. Seine Aufgabe bleibe es, einen Cheftrainer zu finden, „der ambitioniert und ehrgeizig“ ist. Gegenbauer merkte selbstkritisch an, dass die Ziele zwar deckungsgleich mit denen des Investors seien, nur schwebten beiden Parteien unterschiedliche Geschwindigkeiten vor. „Das werden wir künftig nur noch miteinander besprechen.“

Zur Startseite