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Karim Benzema kann jubeln, die Schalker können nur staunen.
© AFP

Champions League: Schalke erlebt Debakel gegen Real Madrid

Vor dem Achtelfinal-Hinspiel gegen Real Madrid hegten die Schalker leise Hoffnungen auf eine Überraschung, doch dann bekam die Mannschaft von Jens Keller eine regelrechte Lehrstunde von den Spaniern erteilt.

Manchmal reicht schon ein Spieler aus, um den entscheidenden Unterschied auszumachen. Wenn es aber gleich alle elf Akteure sind, die die ihrem Gegner in allen erdenklichen Belangen überlegen sind, dann kommt dabei ein so einseitiges Spiel heraus, wie es die Zuschauer am Mittwochabend in Gelsenkirchen zu sehen bekamen. Real Madrid gewann das Achtelfinal-Hinspiel der Champions League beim FC Schalke 04 leicht und locker mit 6:1 (2:0). Es war ein Debakel für die Schalker. Aber nicht, weil sie in dieser Höhe gegen dieses übermächtige Team verloren hatten. Sondern weil sich die Mannschaft von Trainer Jens Keller viel zu schnell in ihr Schicksal fügte. Das für die Schalker nun unbedeutende Rückspiel findet am 18. März in der spanischen Hauptstadt statt.

"Wir haben eine sehr junge Mannschaft, die noch sehr viel lernen muss", sagte Trainer Jens Keller. Real-Angreifer Gareth Bale meinte hingegen: "Wir waren perfekt vorbereitet. Es war ein großartiger Sieg."

Die Partie hatte für die Schalker eigentlich ganz verheißungsvoll begonnen. Sie waren mit Anpfiff hellwach, schienen viel Mut aus der Kabine mitgebracht zu haben und wollten den Überraschungseffekt für sich ausnutzen. Mit ein bisschen Glück wäre dieser Plan auch nach einer Minute aufgegangen, doch Benedikt Höwedes, der nach mehrwöchiger Verletzungspause erstmals wieder spielte, zielte per Kopf nicht genau genug. Die 55.000 Zuschauer in der Arena waren euphorisiert und glaubten, wie auch die Spieler daran, gegen diesen eigentlich übermächtigen Gegner eine reale Chance zu haben.

Doch die Hoffnung wich schnell der Realität. Madrids Superstar Cristiano Ronaldo, den die Fans mit gellenden Pfiffen von der ersten Minute an verunsichern wollten, bereite mit einem Hackentrick auf Benzema vor, der Franzose verwandelte nach zwölf Minuten zur Führung der Gäste. Felipe Santana hatte den Ball noch unglücklich abgefälscht. Das war der Auftakt der Ronaldo-Show, in der der Weltfußballer des Jahres noch einige Höhepunkte zu bieten hatte.

Draxler vergab eine Riesenchance zum 1:1

Dieser erste Gegentreffer war zwar ein Rückschlag für die Schalker, der allerdings noch keine bleibenden Spuren hinterlassen sollte. Im Gegenteil: Unmittelbar nach dem 0:1 hatte Julian Draxler die große Möglichkeit, den Ausgleich zu erzielen. Diese Szene dürfte dem 20-Jährigen allerdings eine schlaflose Nacht eingebracht haben, weil er aus kürzester Distanz und völlig freistehend den Ball nicht an Torhüter Iker Casillas vorbei ins Tor befördern konnte. Nach dem Spiel sagte er: "Der Klassenunterschied war deutlich. Wir brauchen nicht mehr vom Weiterkommen zu sprechen. Wir haben jetzt in der Bundesliga wichtige Spiele vor uns."

Das Selbstbewusstsein der Schalker schwand zusehends. Ein leichtsinniger Rückpass vom nun sichtlich verunsicherten Draxler sowie ein leichtfertig vertändelter Ball von Felipe Santana sorgten dann dafür, dass der Ruhrgebietsklub einen nachhaltigen Wirkungstreffer hinnehmen musste und sich davon nicht mehr erholen sollte. Gareth Bale, den Real Madrid vor Saisonbeginn für 91 Millionen Euro verpflichtete, nutzte die Unzulänglichkeiten aus. Nach einem Solo verwandelte 24-Jährige zum 2:0. Zu diesem Zeitpunkt waren gerade einmal 20 Minuten gespielt und die Partie war dennoch entschieden. Weil die Madrilenen nach Gelsenkirchen gekommen waren, um mit größter Ernsthaftigkeit zu spielen und keinerlei Fragen offen zu lassen.

Ronaldo war von den Schalkern zu keinem Zeitpunkt zu stoppen

Cristiano Ronaldo untermauerte diesen Eindruck in der Folge. Nach 32 Minuten scheiterte der Portugiese erst am Pfosten, vier Minuten später an Torhüter Ralf Fährmann. Und immer, wenn es gefährlich wurde, und das war sehr häufig, war der 29-Jährige in unmittelbarer Nähe. Und die Schalker? Die waren nach dem Zwei-Tore-Rückstand beeindruckt, geschockt, schlicht überfordert von der gedanklichen und physischen Geschwindigkeit, die Ronaldo, Bale und der gesamte Rest dieses europäischen Spitzenteams an den Tag legte. Die Mannschaft von Trainer Jens Keller konnte überaus froh sein, zur Halbzeit nicht noch deutlich höher in Rückstand zu liegen.

Auch wenn Kevin-Prince Boateng es direkt nach Beginn der zweiten Hälfte mit einem Distanzschuss versuchte - es war kaum mehr als ein untauglicher Versuch, ein wenig Aufmerksamkeit zu erzeugen. Die Show gehörte Madrid, sie gehörte Cristiano Ronaldo. Nach 52 Minuten zelebrierte Ronaldo innerhalb einer Sekunde drei Übersteiger, so dass Gegenspieler Joel Matip noch längere Zeit schwindelig gewesen sein dürfte. Dass der Angreifer der Spanier auch noch zum 3:0 abschloss, war nur die Krönung einer in der Bundesliga bisher unbekannten Angriffsvariante. Dass 4:0 bereitete Ronaldo - als sei es das Leichteste auf der Welt - fünf Minuten später erneut mit der Hacke vor. Benzema verwandelte gegen wehrlose Schalker. Gareth Bale erhöhte nach 69 Minuten noch zum 5:0, ehe wieder Ronaldo das 6:0 erzielte. Die Schalker kamen aber wenigstens noch zum Ehrentreffer durch Klaas-Jan Huntelaar in der Nachspielzeit. Es war das aber nur ein schwacher Trost nach 90 enttäuschenden Minuten.

Jörg Strohschein

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