Sportlicher Misserfolg und Querelen im Klub: Schalke 04 und die Furcht vor dem Exitus
Die Lage beim FC Schalke 04 ist nach 24 Bundesliga-Spielen ohne Sieg ernst. In dieser Woche hat sich die Krise noch einmal verschärft.
Zuletzt hat es fast den Eindruck gemacht, als hätten selbst die treuesten Fans des FC Schalke 04 resigniert. Es herrschte fast schon gespenstische Ruhe rund um den eigentlich so emotional aufgeladenen Klub. Der sportliche Untergang gepaart mit vielen internen Verwicklungen im Verein schien selbst diejenigen in eine Schockstarre zu versetzen, die häufig ihr eigenes Leben eng mit dem Wohl des Ruhrgebietsklubs verbinden.
Doch mit der Zurückhaltung ist nun Schluss. Der einflussreiche „Supporters Club“ richtete einen offenen und deutlichen Brief an die Mannschaft und deren Verantwortliche. „Wir können nicht mehr still mit ansehen, wie ihr unseren Verein gerade in den Exitus treibt!“, heißt es in dem Schreiben.
Die vergangenen Tage dürften das öffentliche Entsetzen über die Entwicklung kaum gebremst haben. 24 sieglose Spiele in der Bundesliga am Stück sind eine fast schon groteske sportliche Bilanz für die stolzen Schalker. Noch erstaunlicher ist allerdings die späte Reaktion der Verantwortlichen auf diesen historischen Absturz.
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Sportvorstand Jochen Schneider hat am Dienstag Kaderplaner Michael Reschke beurlaubt, den Vertrag mit dem erst im Sommer gekommenen Angreifer Vedad Ibisevic zum Jahresende aufgelöst und mit Amine Harit und Nabil Bentaleb zwei Spieler vorübergehend suspendiert.
Erläutert hat Schneider sein ungewöhnliches Vorgehen mit den Worten, dass es „uns gelingen muss, wieder zu einem Miteinander zu finden, das es braucht, um Bundesliga-Spiele zu gewinnen“. Weshalb die Verantwortlichen trotz dieser fast beispiellosen Serie erst so spät handelten, sagte er allerdings nicht. Nur so viel: „Ich habe sicher auch Fehler gemacht.“ Konkreter wurde er nicht.
Ob in der Mannschaft oder auf der Geschäftsstelle des S04: Das gegenseitige Misstrauen ist groß. Geplante Umstrukturierungsmaßnahmen und damit einhergehende Kündigungen haben auch das Vertrauen der Mitarbeiter in den zuständigen Vorstand Alexander Jobst nicht gerade gestärkt.
Die Lage scheint zerfahren zu sein. Schneider sah sich sogar dazu aufgerufen, einen öffentlich Appell für internen Zusammenhalt zu formulieren: „Wir haben 17 Konkurrenten im Land, die brauchen wir nicht noch im Verein.“ Der 50-Jährige räumte allerdings auch ein: „Das Bild, das wir abgeben, ist verheerend.“ Längst haben auch im Aufsichtsrat die Diskussionen über die Zukunft von Schneider und Jobst begonnen.
„Zu viele Spieler stellen ihr Ego über die Mannschaft“
Manuel Baum dürfte sich seit einigen Wochen fragen, wie er diese Situation meistern soll. Der Trainer, der noch keine sportliche Wende einleiten konnte (drei Punkte aus sechs Bundesligaspielen), sah offenbar auch keinen anderen Ausweg mehr, als diese ungewöhnlichen Personalentscheidungen offensiv zu unterstützen. Bis dahin hatte er seine Spieler sehr lange in Schutz genommen, auch wenn ihm in der jüngeren Vergangenheit sein Unbehagen über seine Verteidigungsreden oft ins Gesicht geschrieben stand.
Diese Haltung gehört aber der Vergangenheit an. „Es gibt zu viele Spieler, die ihr Ego über die Mannschaft stellen“, sagte Baum. „Die Mannschaft war froh, dass die Entscheidungen so deutlich gefallen sind.“
Im Vergleich zur Vorwoche fehlen Baum nun für die Partie am Samstagabend bei Borussia Mönchengladbach (18.30 Uhr, live bei Sky) neben Harit, Bentaleb und Ibisevic auch die kurzfristig verletzten Ralf Fährmann, Rabbie Matondo, Goncalo Paciencia, Salif Sané, Ahmed Kutucu und wohl auch Bastian Oczipka.
Die Lösung dieses Problems geht Baum pragmatisch an. „Ich habe mich intensiv mit Gerald Asamoah, Norbert Elgert und Hub Stevens unterhalten – es war wichtig, in den Verein reinzuhorchen, welche Spieler wir noch in der Knappenschmiede haben. Wir brauchen elf Spieler, die das mit Herzblut füllen“, sagt Baum. „Und wenn das überwiegend Spieler aus der U 19 und aus der U 23 sind, dann ist das so.“
Gegen Gladbach müssen Spieler aus dem Nachwuchs ran
Es ist eine Form von Trotz und Erleichterung, mit der Baum seine Aufgaben angeht. Es werde „keiner mehr auf dem Platz stehen, der halbherzig rumkickt und den Ernst der Lage nicht erkannt hat – die können dann was anderes machen, aber nicht mehr für Schalke spielen“. Mehr Optionen bestehen für ihn und die Klubverantwortlichen allerdings nicht mehr. Baum muss in dieser ungewöhnlichen Konstellation nun schnellstens die sportliche Wende schaffen, soll der Klub nicht ungebremst in den Abgrund stürzen.
Die Schalker sind nach acht Spieltagen Tabellenletzter mit drei Punkten, der schlechtesten Offensive (fünf Tore; gemeinsam mit Bielefeld) sowie der schlechtesten Abwehr (24 Gegentore). Ein Abstieg würde den mit deutlich über 200 Millionen Euro verschuldeten Klub auch finanziell hart treffen. Deshalb gilt es den mit Macht zu verhindern. Manuel Baum sagt: „Die Entscheidungen, die wir getroffen haben, gehen genau in die Richtung.“