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Sabrina Mockenhaupt kam abgekämpft, aber glücklich ins Ziel.
© dapd

Berlin-Marathon: Sabrina Mockenhaupt - Sekt fürs Rumpelstilzchen

Sabrina Mockenhaupt läuft beim Berlin-Marathon persönliche Bestzeit und sieht eigene Fortschritte.

Berlin - Ja, muss sie sich denn auch noch um den Kleinkram kümmern? Wo laufen denn diese Tempomacher? Die sollen vor ihr laufen, nicht neben ihr. Also keuchte Sabrina Mockenhaupt ihren persönlichen Begleitern erst mal eine Grundregel zu. Immerhin, es wurde dann besser.

Aber dann kam Kilometer 32, das nächste Problem. Einer der Tempomacher machte schlapp. „Der Kenianer konnte nicht mehr“, sagte Mockenhaupt. Schade eigentlich, „ich wäre gerne mit ihm ins Ziel gelaufen“. Sie kam dann doch allein an. Vollkommen erschöpft, mit brennenden Füßen, aber eine Minute später nahm der Papa sie in seine dünnen Arme, drückte sie an seine hagere Brust und sagte: „Super gemacht, mein Kind.“ Der Papa ist eine wichtige Bezugsperson für Sabrina Mockenhaupt, 29 Jahre alt und ziemlicher Neuling auf der Marathonstrecke. „Wenn der Papa zufrieden ist, bin ich es auch.“

Der Papa war sogar sehr zufrieden. Sabrina Mockenhaupt war nach 2:26:21 Stunden ins Ziel gelaufen, das war zwar langsamer, als sie geplant hatte, das war vor allem langsamer als Papas Bestzeit, die sie unbedingt unterbieten wollte, das war aber immer noch eine Sekunde besser als ihr eigener Rekord. „Diese Sekunde habe ich verdient“, verkündete sie.

Und da Sabrina Mockenhaupt oft das Gefühl hat, sie müsse sich rechtfertigen, ging sie natürlich gleich mal auf mediale Kritiker ein, die fast reflexartig ihre Zeit kritisiert hatten. „Dass ich keine Weltklasse bin, weiß jeder, aber diese Zeit muss man erst mal laufen.“ Und bei diesem miesen Wetter sowieso. Schon eher Weltklasse war an diesem Tag die Zeit der Siegerin Aberu Kebede (Äthiopien/2:23:58). Na und? Die läuft ja auch in einer anderen Liga. So sieht Mockenhaupt das Ganze. Für sie bündelt sich alles in einem Satz: „Ich habe heute einen großen Schritt in meiner Entwicklung als Marathonläuferin gemacht.“

Zum ersten Mal hatte sie unterwegs, etwa bei der Hälfte des Rennens, gemerkt, „dass ich auf den letzten vier Kilometern noch kämpfen kann“. Und die Schmerzgrenze hat sie auch verschoben, nach hinten, bis zu Kilometer 38. Bisher hatte sie schon bei Kilometer 32 Probleme bekommen.

Aber die letzten vier Kilometer, die waren schon hart. Eine Stunde nach dem Rennen tippelte Mockenhaupt wie eine gehbehinderte 90-Jährige durchs Hotel, in dem der Marathon-Zirkus abgestiegen ist. „Mir tun die Füße brutal weh“, sagte die 29-Jährige. „Ich sehe aus wie ein Rumpelstilzchen.“ Naja, auf jeden Fall sah sie anders aus als an der Stelle, an der ihr ein Zuschauer zubrüllte: „Du siehst toll aus, du bist die Schönste.“ – „Hast Du das gehört, ist doch toll“, sagte einer ihrer Tempomacher prompt. Es war als Motivation gedacht. „Ja“, antwortete Mockenhaupt, „ich hab’s gehört. Aber das hilft mir jetzt auch nichts.“

Ein höheres Tempo hätte ihr geholfen. Das Tempo auf den ersten zehn Kilometern war einfach zu langsam. Schon da hatte sie eine Zeit unter Papas Rekord „abgehakt“. Dann erst zog die Japanerin Tomo Morimoto das Tempo an. Aber das nützte dann ebenfalls nicht mehr viel. Der Regen, der starke Gegenwind, die nassen Schuhe, das alles summierte sich zu Nachteilen. „Es hat ja genau zum Zeitpunkt des Starts anfangen zu regnen, das ist halt Pech“, sagte Mockenhaupt.

Nächsten Sonntag läuft sie beim Köln-Marathon, ob in einer Staffel oder ob sie einen Zehn-Kilometer-Abschnitt absolviert, ist noch unklar. Aber Köln ist auf jeden Fall „einfach Fun“. Mit Köln trieb sie sich noch an auf dem nassen Asphalt. „Kämpfe“, schrie sie sich im Geiste zu. „In Köln kannst du dann genießen.“

Aber so lange muss sie gar nicht warten. Genießen kann sie schon viel früher. Als sie ausgelaugt auf ihrem Stuhl saß, die Füße in weißen Socken, weil sie in Schuhen zu viele Schmerzen hätte, da formulierte sie ihren größten Wunsch. Und der ist unkompliziert zu erfüllen. Ich sehne mich“, verkündete sie, „nach einem Glas Sekt.“

Frank Bachner

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