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Kein Zufall. Igor Akinfeev hält und wird Held.
© Mladen Antonov/AFP

Kolumne: Liebesgrüße aus Moskau: Russland hat sich den Sieg absolut verdient

Der Erfolg gegen Spanien kam für viele überraschend. Unser Autor, selbst russischer Nationalspieler, erklärt, warum das Ergebnis kein Zufall war.

Russland steht im Viertelfinale – und das ist kein Zufall. Natürlich war der Sieg gegen Spanien glücklich, aber der Grundstein dafür wurde in den zwei Jahren Vorbereitung gelegt. Wir haben in all den Testspielen und in der Vorbereitung die Fünferkette in der Defensive durchexerziert. Auf den ersten Blick wirkt dieses System einfach, aber es ist sehr laufintensiv und die Abläufe müssen sitzen. Die zwei Halbinnenverteidiger müssen zur Seite des Balles verschieben oder bei Bedarf das Zentrum dicht machen.

Dafür muss man diszipliniert und wach sein, notfalls über 120 Minuten. Die Außenverteidiger verrichten enorm viel Laufarbeit, weil sie beim Gegenangriff auf die Linie mit den Verteidigern rücken, im Ballbesitz dann wieder vorrücken. Mario Fernandes und Yuri Zhirkov haben dabei ihren Job genauso gut ausgefüllt wie der eingewechselte Wladimir Granat, der im Zentrum keinen einzigen Pass spielen musste. Er hat das gemacht, was von ihm erwartet wurde – mit sehr viel Einsatz und Disziplin.

Für genau diesen Kraftakt wurde die russische Mannschaft belohnt. Spanien kam überhaupt nicht hinter die Abwehrkette, spielte kaum vertikale Bälle und hatte fast gar keine Abschlüsse. Wenn ein Team gegen eine Weltklasseelf wie Spanien so wenig zulässt, hat es sich den Sieg auch verdient.

Mann des Spiels war sicherlich der Torwart Igor Akinfeew mit seinen gehaltenen Elfmetern und guten Paraden im Spiel. Er ist auch innerhalb des Teams eine richtige Persönlichkeit, auf die jeder in der Kabine hört. Akinfeew wird laut, wenn ihm etwas nicht passt. Doch er fordert auch von sich das absolute Maximum. Er schiebt jeden Tag Extraschichten im Kraftraum und geht jedes Trainingsspiel wie ein Endspiel an. Bei den Strafstößen hat er ein gutes Gefühl für die Richtung des Balles, weil er vor dem Absprung genau abliest, wie der Schütze sein Standbein hält.

Doping war kein Thema

Beeindruckend waren die Coolness der russischen Schützen beim Elfmeter und ihre Laufleistung im Spiel. Ich habe zu Letzterem bereits geschrieben, worauf ich das zurückführe: Die Russen hatten einen lange Pause vor dem WM, sie werden von der Unterstützung der Fans getragen und profitieren von der laufintensiven Vorbereitung.

Doch momentan kursieren andere Vermutungen, immer wieder wird von Doping geraunt. Dazu kann ich nur sagen: Wir wurden bei den Lehrgängen immer kontrolliert, von der Fifa und der Anti-Doping-Agentur Rusada. Ich habe nie etwas von Doping mitbekommen, das war definitiv kein Thema bei der Nationalmannschaft. Es gibt Gerüchte um meinen Mitspieler Ruslan Kambolov, der vor dem Turnier aus dem Kader gestrichen wurde. Mir wurde aber gesagt, dass er verletzt sei, und ich habe momentan keinen Grund, daran zu zweifeln.

Am Samstag spielt Russland nun im Viertelfinale gegen Kroatien, das für mich mit Belgien bisher den stabilsten Eindruck von allen Teams hinterlassen hat. Ich habe schon gegen ihren Strategen Luka Modric gespielt; er bewegt sich überall auf dem Rasen und lässt sich mitunter auch tiefer fallen, um das Spiel anzukurbeln. Wichtig ist, dass man ihn direkt bei der Ballannahme stört. Wenn er ins Dribbling kommt, wird es gefährlich.

Das ist nicht so einfach, ich hatte auch so meine Probleme beim Spiel gegen Real, erinnere ich mich. Zudem gehören die Leute um ihn herum wie Ivan Rakitic zur gehobenen Weltklasse. Die Kroaten spielen anders als die Spanier, womöglich werden sie tiefer stehen. Russland wird im Viertelfinale wieder genau das brauchen, was gegen Spanien gefruchtet hat: hohen Einsatz und sehr viel taktische Disziplin.

- Roman Neustädter spielte für die Nachwuchsmannschaften Deutschlands und ist jetzt russischer Nationalspieler. Hier schreibt er im Wechsel mit Philipp Köster, Harald Stenger, Frank Lüdecke, Nadine Angerer, Jens Hegeler und Sven Goldmann.

Roman Neustädter

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