Josef Martinelli, den in Aachen alle Jupp nennen, hat intuitiv alles richtig gemacht. Martinelli war Ende der Sechzigerjahre Kapitän der Aachener Alemannia, auch mit 70 geht er immer noch regelmäßig zum Tivoli, und den Aufstieg seines Vereins in die Fußball-Bundesliga wollte er auf keinen Fall verpassen. Deshalb hat er schon vor einiger Zeit für diese Woche seinen Urlaub geplant, um zu den entscheidenden Spielen wieder zurück in Aachen zu sein. Sein schöner Plan wäre beinahe schief gegangen: Alemannia Aachen hat gerade noch rechtzeitig vor Martinellis Abreise den Aufstieg perfekt gemacht. Oder besser: machen lassen. Weil Greuther Fürth am Sonntag 0:1 in Saarbrücken verlor, steht Aachen schon vier Spieltage vor Schluss als erster Aufsteiger fest.
Einige Spieler hatten das Spiel der Fürther in ihrer Stammkneipe in Aachen verfolgt. Gleich nach dem Schlusspfiff begann in der Stadt eine improvisierte Party. Jan Schlaudraff und Marius Ebbers ließen sich in einem offenen Cabrio zum Markt fahren, als erste Andeutung eines sehr viel größeren Triumphzugs, den Aachen noch erleben wird. Trainer Dieter Hecking hatte den Spielern schon am Morgen die Erlaubnis zum Feiern erteilt: „Wenn es denn so sein sollte, könnt ihr die Sau raus lassen.“ Da sich kaum jemand dieser Anweisung zu widersetzen wagte, fand das gestrige Heimspiel gegen den VfL Bochum (bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht beendet) unter wohl nicht ganz normalen Bedingungen statt.
Für die Aachener endet mit dem Aufstieg eine scheinbar endlose Zeit der Sehnsucht und des Leidens. 36 Jahre sind seit dem Abstieg aus der Bundesliga vergangen, neun Jahre davon hat der Verein sogar in der Drittklassigkeit verbracht. Und weil die Mannschaft viermal äußerst knapp die Rückkehr in die Bundesliga verpasst hat, geriet sie sogar in den Ruf, gar nicht aufsteigen zu wollen. Das immerhin ist seit Sonntag widerlegt. „Nach 36 Jahren Diaspora sehen wir jetzt wieder das Licht“, sagte Präsident Horst Heinrichs. „Jetzt können wir uns endlich wieder mit den Größten messen.“
Die Frage wird sein, ob die Alemannia auch mithalten kann. „Ich bin da ein bisschen vorsichtig“, sagt Jupp Martinelli, der 1967 den ersten Aufstieg als Kapitän miterlebt hat. Für die Bundesliga plant der Verein mit einem Etat von 20 Millionen Euro, Wunder sind damit nicht zu finanzieren. Bisher haben die Aachener nur Nico Herzig von Wacker Burghausen verpflichtet, sie benötigen aber noch einen Außenverteidiger, einen defensiven Mittelfeldspieler und mindestens zwei Stürmer. „Ich bin ganz zuversichtlich, dass die Verantwortlichen den richtigen Blick haben“, sagt Martinelli.
Alemannias Sportdirektor Jörg Schmadtke kann in der Tat auf eine positive Transfertätigkeit verweisen. Für meist kleines Geld hat er immer wieder Spieler entdeckt, die in ihren Vereinen kaum eine Rolle spielten, sich für die Aachener aber als echte Verstärkungen erwiesen. An dieser Linie wird sich nichts ändern. „Wir sind ein anderer Verein“, sagt Schmadtke. „Und wir wollen diese Nische auch besetzen.“ Nichts symbolisiert Alemannias Andersartigkeit besser als der Tivoli, das marode, enge Stadion, das noch aus einer anderen Fußballzeit stammt. Schon zu Martinellis Zeiten sah es hier nicht anders aus, und selbst für die Bundesliga werden nur ein paar kosmetische Korrekturen vorgenommen. Eine umfangreiche Renovierung lohnt sich nicht, weil der Verein längst einen neuen Tivoli geplant hat. Allerdings wird der nicht vor 2010 fertig sein.
Für Martinelli ist der Tivoli nicht nur ein Stadion. Er stehe auch für eine Geisteshaltung, für „dieses Enge, Kleine, nicht so Großspurige“ – eine Haltung, die der ehemalige Aufstiegsheld auch bei Trainer Dieter Hecking erkennt: „Das ist kein Schwaatlapp, wie man bei uns sagt“, kein Schwadroneur, „er hat es verstanden, seine Art auf die Mannschaft zu übertragen.“
Die Aachener, in der vergangenen Saison noch für ihren Hurrafußball geliebt, haben sich in diesem Jahr deutlich zurückgenommen und ihre Lust an der Effizienz entdeckt. Allein in der Rückrunde haben sie drei Spiele 1:0 gewonnen. „Die Mannschaft wusste von Beginn an, worum es geht. Sie hat sich nur auf den Erfolg konzentriert“, sagt Josef Martinelli. „Das ist das Hauptverdienst von Dieter Hecking.“
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