Formel 1: Ross Brawn: Der Mann fürs Große
Mit Technikchef Ross Brawn dominierte Mercedes die Formel 1 nach Belieben. Jetzt soll er für neue Spannung sorgen.
Wie man es falsch macht, dass weiß er noch ganz genau. Als Technikchef von Mercedes war Ross Brawn jahrelang mitverantwortlich für das neue Antriebsreglement in der Formel 1. „Da ging es darum, das möglichst Beste für sich selbst herauszuholen. Kosten haben dabei überhaupt keine Rolle gespielt“, erinnert sich der 62 Jahre alte Brite. Was dabei herauskam, ist bekannt: Ein Reglement, das zwar für Mercedes perfekt funktionierte, den Silberpfeilen zwischen 2014 und 2016 die absolute Dominanz in der Formel 1 garantierte, ansonsten aber nur die Kostenspirale weiter anheizte und die Fans weitgehend frustrierte.
Jetzt leitet Brawn den Bereich „Sportliche und technische Entwicklung“ der neuen Formel-1-Besitzer von Liberty Media. In dieser Funktion muss er ganz neu denken: Nicht mehr den Erfolg des einzelnen, eigenen Teams sichern, sondern das große Ganze verbessern. Er soll und will dafür sorgen, dass es so bald wie möglich wieder eine wirklich spannende und für die Fans attraktivere Formel 1 gibt. Ausgeglichener, kostengünstiger und einfacher zu verstehen – das sind die Kernpunkte seines Konzepts.
Wobei ausgeglichen für ihn keinesfalls bedeutet, mit künstlichen Hilfsmitteln dafür zu sorgen, dass auch Chancenlose auf einmal gewinnen können. „Wir wollen schon garantieren, dass die Besten auch gewinnen können. Aber die starken Teams sollen mehr Konkurrenz bekommen. Dadurch, dass man Bedingungen schafft, die es auch den Kleinen ermöglichen, gute Arbeit zu leisten“, sagt Brawn.
Dafür gibt es aus seiner Sicht in erster Linie zwei Ansatzpunkte: Kostenreduzierung und Geldverteilung. Ein wichtiger Ansatzpunkt für Ersteres ist das neue Motorenreglement, an dem gerade gebastelt wird. Und das er gerne schon 2020 einführen würde, nicht erst 2021, wie eigentlich bisher vertragsmäßig vorgesehen. Einige Eckpfeiler kristallisieren sich dabei inzwischen heraus: Ein V6-Biturbo soll es werden, Teile der hochkomplexen Hybrid-Technik werden wegfallen, einige Komponenten wie Turbolader oder Batterien sollen standardisiert werden. Damit sollen auch unabhängige Motorenhersteller wieder in der Lage sein, Formel-1-Triebwerke zu liefern.
Er will die Geldverteilung ändern
Außerdem will Brawn weg von dem Konzept, immer längere Haltbarkeiten vorzuschreiben – nach derzeitigem Stand müssten die Teams 2018 mit nur noch drei Antriebseinheiten für 21 Rennen auskommen: „Erstens kostet die Forschung und Entwicklung in Sachen Haltbarkeit unglaublich viel Geld. Und zweitens wissen wir aus Umfragen, dass es die Fans unglaublich nervt, wenn die Fahrer für technische Defekte Startplatz-Strafen bekommen und so etwas am Ende vielleicht noch eine WM entscheidet“, sagt Brawn.
Gerade an diesem Wochenende in Spielberg beim Großen Preis von Österreich (Rennen am Sonntag ab 14 Uhr live bei RTL und Sky) ist dies durch die Strafversetzung von Lewis Hamilton in der Startaufstellung um fünf Plätze nach hinten wegen eines Getriebewechsels wieder zum viel diskutierten Thema geworden.
Auch das Thema Geldverteilung will Brawn entschlossen angehen. Dazu müssten die Preisgelder künftig anders ausgeschüttet werden, was naturgemäß bei den großen Teams nicht auf Gegenliebe stößt. „Das wird nur funktionieren, wenn wir gute Argumente haben“, betont Brawn.
In Sachen Überholmöglichkeiten gebe es ebenfalls noch einiges zu tun. Es brauche wieder Autos, die das Überholen auch ermöglichen – und das nicht nur mit zusätzlicher Beschleunigung auf der Geraden. „Wichtig ist“, sagt Brawn, „dass jede Entscheidung, die wir treffen, die Rennen verbessert, mehr neue Fans anzieht und diejenigen, die schon lange dabei sind, wieder zufriedener macht.“