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Torger Christian „Toto“ Wolff, 42, (hier mit links, mit Daimler-Chef Zetsche und Nico Rosberg) ist seit Januar 2013 Motorsportchef bei Mercedes. Bis heute hält der Österreicher auf der Nürburgring-Nordschleife den Rundenrekord mit Saugmotoren.
© IMAGO

Formel-1-Stallduell bei Mercedes: Rosberg gegen Hamilton: „Wenn es um die WM geht, ist alles erlaubt“

Der Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff spricht vor dem Rennen in Monaco über Verschwörungstheorien zum Duell zwischen seinen Fahrern Lewis Hamilton und Nico Rosberg und sagt: Es wird bei uns nie so weit kommen wie bei Prost und Senna.

Herr Wolff, Sie haben zwei Fahrer, die den WM-Titel wohl unter sich ausmachen. So etwas hat in der Vergangenheit ganze Rennställe vor Zerreißproben gestellt.

Die Situation jetzt ist erst mal ein gutes, ein positives Problem. Die Fahrer brauche ich auch nicht zu bremsen, die beiden haben sich gut im Griff.

Dennoch: Sie haben gesagt, die Rivalität im Team wird intensiver, jetzt, wo es um den WM-Titel geht. Wie äußert sich das konkret? Reden Lewis Hamilton und Nico Rosberg nicht mehr miteinander, brüllen sie sich an oder blockiert der eine vor dem Rennen die Toilette, wie es Michael Schumacher mal mit Rosberg gemacht hat?

Wenn es um die Weltmeisterschaft geht, ist alles erlaubt. Solange es der gemeinsam definierten Philosophie entspricht. Und die bedeutet, wir machen nichts Hinterlistiges. Uns geht es um Transparenz im Team, um den Datenaustausch zwischen den Fahrern und darum, dass man nicht Foul spielt. Man hält sich an die gemeinsamen Programme am Wochenende und dann gewinnt der Schnellere. Natürlich gehören dazu alle möglichen Psychospielchen und alle möglichen kleinen Bananenschalen, die man einem in den Weg legt. Die sind aber nur erlaubt, wenn sie das Team nicht zurückwerfen.

Hamilton möchte nicht, dass Rosberg seine Telemetriedaten so intensiv studiert. Ist dieser Wunsch schon ein Foul?

Es geht darum, dass man definiert, was transparent ist. Solange man sich auf etwas gemeinsam verständigt, wird es so gemacht. Das gilt in die eine, aber auch in die andere Richtung.

Also kann Rosberg weiter Hamiltons Daten und der Rosbergs Setup übernehmen?

Absolut, und das ist auch wichtig. Wenn der eine sich beim Setup verläuft, braucht er den anderen, um das Team vorwärtszubringen. Wir wollen das nicht wie bei anderen Teams in der Vergangenheit, dass die Setups geheim sind.

Es existiert also ein Leitfaden, der beinhaltet, was bei Mercedes geht und was nicht?

Ja, es wurde vor der Saison gemeinsam mit den Fahrern eine Vorgehensweise etabliert, die wir nach jedem Rennen anpassen, erweitern und kalibrieren.

Ihr Aufsichtsratschef Niki Lauda, der weiß, wie Rennfahrer ticken, hat dennoch gesagt, es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis es zum Crash kommt.

Ich teile das nicht. Ich glaube, dass sich die Zeiten ändern. Wir haben zwei unheimlich erfahrene Piloten, die schon im Kart miteinander gefightet haben. Die sagen: Wir kennen uns aus so vielen Kämpfen auf der Strecke, dass wir wissen, was der Teamkollege macht. Ich glaube, die können sich racen bis zu einer Intensität, die für uns draußen schwer nachzuvollziehen ist, ohne sich ins Auto zu fahren. Aber es kann natürlich passieren, was der Niki sagt. Es wird immer intensiver, es geht immer mehr um den Titel, und es kann sich mal einer den Flügel abfahren oder den Reifen aufschlitzen. Das wollen wir nicht und das wäre gegen die Philosophie des Teams. Dann würden wir sicher über Konsequenzen nachdenken.

Gibt es auch einen Mercedes-Strafenkatalog, in dem geregelt ist, was bei einem Unfall passiert?

Nein. Die erste Maßnahme ist: Da gibt es was mit dem Lineal auf die Finger (lacht). Aber mit einem Holzlineal!

Wenn kein Konkurrent mehr an Mercedes herankommt, wenn es also ein teaminternes WM-Duell wird wie 1988 und 1989 zwischen Ayrton Senna und Alain Prost im McLaren: Werden beide bis zum Schluss ohne Stallregie frei fahren können?

Absolut. Wenn wir Konstrukteursweltmeister sind, dann würden wir uns wünschen, dass sie sich beide nichts schenken bis zum letzten Rennen.

Wenn doch ein Konkurrent wie Red Bull noch aufschließen sollte, wird die Stallregie aber ein Thema werden?

Ja. Wenn einer unserer Mitbewerber uns gefährlich nahe kommt, könnte das der Zeitpunkt sein, wo wir im Sinne des Teams diskutieren.

Hamilton und Rosberg sind sehr unterschiedliche Charaktere. Der eine Typ Straßenkämpfer, der andere eher akademisch-smart. Kann das helfen, dass sich nicht so eine Feindschaft wie zwischen Senna und Prost entwickelt?

Das sind sowieso andere Voraussetzungen. Senna und Prost sind erst im Team aufeinandergetroffen, haben sich zu Beginn respektiert und dann gehasst. Unsere beiden kennen sich, seit sie 13 sind. Sie haben diese Situation schon in anderen Rennserien erlebt. Sie leben im gleichen Haus und sind als Kinder gemeinsam in Urlaub gefahren. Sind sie beste Freunde? Nein. Sie entwickeln sich immer mehr zu sehr ehrgeizigen Rivalen. Aber die beiden und wir selbst werden es niemals so ausarten lassen, wie das damals passiert ist.

In Stallduellen wie jetzt bei Ihnen reifen Verschwörungstheorien. Eine geht so: Rosberg fuhr zuletzt meist eine andere Boxenstrategie als Hamilton. Manche sagen, diese Strategie sei grundsätzlich zu langsam gewesen und habe ihn benachteiligt.

Wenn du im Qualifying verlierst, ist deine einzige Chance auf den Rennsieg eine andere Strategie. Wenn du die gleiche Strategie fährst wie der Erste, wirst du eine Runde später an die Box kommen, und dann hast du eine Runde lang den Nachteil der älteren Reifen. Damit bist du chancenlos. Die andere Strategie ist natürlich auch leicht benachteiligt, denn der Erste hat bei der Strategiewahl Vorrang – egal welcher der zwei Fahrer das ist.

Das heißt, die Strategien sind nicht bewusst so gewählt, dass einer benachteiligt wird oder Sie die Kollegen aus Angst vor einem Unfall im Rennen voneinander fernhalten?

Nein, absolut nicht. Die Strategien sind so ausgelegt, dass wir beiden den bestmöglichen Schlüssel für einen Rennsieg geben.

Bei Mercedes werden die Strategien für beide Piloten vom selben Taktiker entworfen. Ein Interessenskonflikt ist da kaum zu vermeiden. Gibt es Überlegungen, daran im WM-Kampf etwas zu ändern, wenn sich ein Fahrer benachteiligt fühlt?

Es gibt zwei unterschiedliche Philosophien. Wollen Sie einen Strategen, der das Team repräsentiert und für beide die bestmögliche Strategie entwirft? Oder wollen Sie zwei Teams mit einem eigenen Strategen, die per se gegeneinander arbeiten? Das heißt, dass Sie das Team nicht an die erste Stelle setzen. Wir setzen das Team an die erste Stelle, deswegen haben wir einen Strategen, der beide Autos einstellt.

Aber wenn der Zweite es wollte, könnte er eine ähnliche Strategie wie der Erste wählen?

Kein Problem. Dazu kommen andere Feinheiten: Brauchst du ein Auto, das ein bisschen schneller auf der Geraden ist, um den Ersten leichter zu überholen? Oder andere Ideen. Das ist den Piloten überlassen.

Nächste Theorie: Hamilton hat in seinem Vertrag einen Nummer-1-Status garantiert. Das vermutet zumindest Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko.

Niki würde antworten: Absoluter Schwachsinn. Und das ist auch meine Antwort.

Aber ist Hamilton nicht Laudas Liebling? Er hat ihn zu Mercedes geholt, er hat mit ihm Urlaub gemacht. Und nach dem Rennen in China hat Lauda ihn in seinem Privatflieger mitgenommen, während Rosberg stundenlang auf den Linienflug warten musste.

Das ist aus einem Impuls heraus entstanden, weil Lewis schnell nach Europa wollte und Niki noch einen Platz frei hatte. Das hat kein Geschmäckle, der Niki denkt über diese Dinge auch nicht groß nach. Wichtig ist: Wenn einer der Fahrer das als Ungleichgewicht sieht, muss man dem entgegenwirken. Aber wir verstehen uns mit beiden absolut gleichwertig. Einmal fliegt einer mit Lauda mit, einmal gehe ich mit dem anderen essen oder in Urlaub.

Letzte Verschwörungstheorie: Hamilton verdient angeblich deutlich mehr als Rosberg und ist laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Repucom auch global viel bekannter. Möchten Sie einen solch gut vermarktbaren Weltstar nicht doch lieber als Weltmeister?

Die Studie ist hochinteressant. Nur ich glaube sie nicht. Formel-1-Piloten sind generell schwerer vermarktbar als Fußballer oder US-Sportler – wieso, weiß ich nicht. Für uns sind sie beide wertvoll, sie sind unterschiedliche Persönlichkeiten. Und sie sprechen beide unsere Kunden an, auf unterschiedliche Weise. Das sind wirklich alles Verschwörungstheorien.

Wenn einer von beiden deutlich mehr verdient, könnte man sagen, ihm würde mehr Wertschätzung entgegengebracht.

Nein, nicht unbedingt. Ich lass es mal so stehen, ob das tatsächlich so ist. Wenn es denn so wäre, kann es auch eine historische Entwicklung sein. Zu welchem Zeitpunkt kam wer zum Team, jung oder alt, Weltmeister oder nicht?

Man kann also noch auf Rosberg wetten?

Ich denke, es ist noch nicht vorbei, wie viele glauben. Wir haben schon fleißig gerechnet, was passieren könnte. Die Konstrukteurs-WM könnten wir vielleicht früher einfahren, wenn alles so bleibt (klopft auf den Holztisch). Aber ich glaube, die Fahrer-WM geht bis zum letzten Rennen. Und so soll es ja auch sein, oder?

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