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Rollen für ein behindertenfreundliches Russland. Die Mannschaft des Gastgebers gewann nicht nur souverän die Nationenwertung, sondern darf sich auch über ein neues Bewusstsein im Umgang mit eingeschränkten Menschen freuen. Sotschi soll Vorbildstätte für das gesamte Land werden – sagt zumindest Staatspräsident Wladimir Putin.
© Thilo Rückeis

Was von den Paralympics bleibt: Rollis aus der Lada-Fabrik

Russen, die Ukrainer anfeuern, immer jüngere Athleten und tolle Stimmung – Was bleibt von den Spielen, die angesichts des Krim-Konflikts politisch so aufgeladen waren wie schon lange keine olympische Veranstaltung mehr?

Am Sonntagabend sind in Sotschi die Paralympics zu Ende gegangen. Was bleibt von den Spielen, die angesichts des Krim-Konflikts politisch so aufgeladen waren wie schon lange keine olympische Veranstaltung mehr? Eine Bilanz.

Größte Gewinner

Keine Frage, die Menschen in Russland. Nicht etwa, weil die Gastgebernation mit 30 Goldmedaillen ihren eigenen winterparalympischen Rekord gebrochen hat. Mehr als 300 000 verkaufte Tickets und die ausführliche Berichterstattung in allen Medien haben neue Welten des Bewusstseins erschlossen. So bestellte die russische Regierung in einem ersten Schwung eine sechsstellige Zahl Rollstühle beim deutschen Marktführer in Prothetik und Orthetik mit Sitz in Berlin. In der alten Lada-Fabrik der Stadt werden jetzt auch Rollis zusammengeschraubt.

Emotionalster Moment

Den erlebten die beiden Mütter von Langläuferin Tatjana McFadden. Geboren und aufgewachsen in einem Waisenhaus in St. Petersburg, wurde McFadden mit sechs Jahren von einer Amerikanerin adoptiert, heute ist sie eine der erfolgreichsten Sommer-Paralympionikinnen. Sotschi waren ihre ersten Winterspiele, und weil sie vorher in den Medien so präsent war, meldete sich ihre leibliche Mutter. Bei McFaddens fünftem Platz im ersten Rennen jubelte diese gemeinsam mit der Adoptivmutter auf der Tribüne.

Dominanz der Frauen

Im 13 Athleten zählenden deutschen Team gingen alle Medaillen an Frauen. „In Deutschland rufe ich gleich Alice Schwarzer an und sage ihr, bei uns wird Gleichberechtigung vorgemacht“, sagte der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes, Friedhelm Julius Beucher, im Scherz. Beucher will alle Teilnehmer der Nationalmannschaft zu einem Treffen mit dem Bundespräsidenten in Berlin einladen. In Erinnerung bleiben als Sieger Andrea Rothfuss und Anna-Lena Forster, Andrea Eskau und Anja Wicker – und natürlich Monositzskifahrerin Anna Schaffelhuber mit ihren fünf Goldmedaillen.

Familiensache

Den berühmtesten Onkel bei den Spielen hatte Robin Cuche mit dem mehrfachen Weltcupsieger Didier Cuche. Robin wurde im Riesenslalom Zwölfter, im Slalom Siebzehnter. Bei der Abfahrt darf er noch nicht starten, weil er erst 15 Jahre alt ist. In vier Jahren bei den Spielen in Pyeongchang kann er dann auch in Onkel Didiers Lieblingsdisziplin angreifen.

Stimmungshoch

Vom Unterhaltungswert waren die Alpinwettbewerbe das Highlight, vor allem das Snowboard-Finale. Viele Sportler und auch Volunteers betonten, die Stimmung sei sogar besser gewesen als noch kürzlich bei den Olympischen Spielen.

Jung und jünger

Jung waren viele Teilnehmer – etwa der 16-jährige Amerikaner Declan Farmer, der das Sledgehockey-Halbfinale mit zwei Toren und einem Assist entschied. Oder der erst 14-jährige Australier Ben Tudhope, der beim Snowboardcross auf Rang sieben landete. Zwar gab es in Sotschi auch ein paralympisches Jugendlager. Doch an der Nachwuchssichtung, wie sie etwa von den USA mit Stipendien in speziellen Trainingszentren oder von den Russen mit viel Geld praktiziert wird, kann sich Deutschland bestimmt noch etwas abgucken.

Schnell aus dem Rennen

Für niemanden waren die Paralympics so schnell gelaufen wie für Ursula Pueyo Marimon. Beim Super G der stehenden Frauen fiel sie noch aus der Startschranke quasi über ihr Bein und kippte vornüber. Das war’s dann.

Premiere für Großbritannien

Die sehbehinderte Skifahrerin Kelly Gallagher holte im Super G das erste Gold für Großbritannien bei Paralympischen Spielen. Außerdem freute sich Gallagher darüber, dass künftig das Feuer stets im Geburtsort der Spiele in Stoke Mandeville in England entzündet werden soll.

Einschnitte und Ausblicke

Die Welt erlebte gastfreundliche und interessierte russische Zuschauer und Volunteers, die selbst Athleten aus der Ukraine anfeuerten. Solche Beobachtungen sind mehr wert als die Prämie von 100 000 Euro für einen russischen und die 20 000 Euro für einen deutschen Goldmedaillengewinner. Auch das neue Skigebiet mitsamt Logistik funktionierte fehlerfrei, wenngleich der Kaukasus darunter leiden musste. Gipfel wurden geköpft, Schneisen in den Wald geschlagen, Hänge mit Beton zugeschüttet. Nun soll in naher Zukunft alles zum russischen Skizauber werden, mitsamt steuerfreien Spielcasinos.

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