Wimbledon: Roger Federer ist zu jung für den Schaukelstuhl
Roger Federer peilt den neunten Wimbledon-Sieg an. Dass die Form stimmt, zeigt der Schweizer gleich zum Auftakt.
Seit Sonntagabend ist Roger Federer wieder der unumstrittene Liebling von Wimbledon. Normalerweise ist der Schweizer das auf nahezu jedem Turnier, bei dem er antritt. An der Londoner Church Road musste er in den vergangenen elf Jahren um diesen Titel aber stets mit Andy Murray wetteifern, wobei ihn der britische Lokalheld spätestens seit seinem Sieg 2013 in dieser Hinsicht sogar überflügeln konnte. Doch Murray sagte seine Teilnahme in Wimbledon Stunden vor Turnierstart doch noch ab, die Belastung beim zweiten Grand-Slam-Event der Tennissaison sei zu groß und käme für ihn nach fast einjähriger Verletzungspause noch zu früh.
Dann also doch Federer, der als Nummer eins der Setzliste und Titelverteidiger am Montag die Ehre hatte, die 132. Tennismeisterschaften von England zu eröffnen. Er tat dies standesgemäß mit einem lockeren 6:1-, 6:3- und 6:4-Sieg gegen den Serben Dusan Lajovic. Dabei war er vor seinem ersten Auftritt auf dem Centre Court doch einigermaßen nervös. „Es fühlt sich an, als würdest du zu einem Finale rausgehen. Vielleicht ist es sogar noch nervenzehrender, weil du noch nicht an den Platz gewöhnt bist“, hatte Federer vor dem Spiel gesagt. Zu sehen war von Nervosität dann nichts, Federer spielte im Outfit seines neuen japanischen Bekleidungsausrüsters so auf wie das vom Topfavoriten auf den Titel auch erwartet werden durfte.
Titel Nummer 100 in Wimbledon - das wäre zu schön gewesen
„Ich bin zuversichtlich, vermutlich auch deswegen, weil ich zuvor alle Matches auf Rasen bestreiten konnte, die ich spielen wollte“, beschrieb Federer sein Gefühl vor dem Turnierstart. Zuletzt hatte er in Stuttgart gewonnen und anschließend in Halle das Finale erreicht, dort dann aber seinen 99. Karriere-Einzeltitel verpasst. Es wäre vielleicht auch eine zu schöne Geschichte gewesen, wenn er in Wimbledon Turniersieg Nummer 100 anvisiert hätte. „Ich habe in Stuttgart und Halle neun Matches in zwölf Tagen gespielt. Deswegen war ich Anfang letzter Woche ein bisschen müde“, sagte Federer.
Für den 36-Jährigen waren es die ersten beiden Turniere nach rund drei Monaten Pause. Wie schon 2016 hatte er die Sandplatzsaison komplett aus- und die Siege Rafael Nadal quasi kampflos überlassen. „Ich denke, die drei Monate haben mir wieder gut getan. Wir hatten eine tolle Zeit, Urlaub, Familie, Training. Alles hat sehr gut funktioniert“, zog Federer ein positives Fazit seiner spielfreien Zeit.
Im Vorjahr gelang ihm in Wimbledon der erste Titelgewinn nach 2012, es war sein insgesamt achter. Nicht einen Satz gab er auf dem Weg zum Rekord ab. In diesem Jahr will er diese Bestmarke ausbauen, die Favoritenrolle ist so eindeutig verteilt wie zu seinen besten Zeiten. Zwar hält Rafael Nadal in der Weltrangliste die Spitzenposition, der Turnierveranstalter setzte den Spanier aber nur an Nummer zwei, was den tatsächlichen Kräfteverhältnissen auf Rasen eher entspricht.
Erstmals seit acht Jahren sind die beiden Superstars ihres Sports wieder die topgesetzten in Wimbledon, letztmals trafen sie 2008 im Finale aufeinander. Heute gilt Nadals Fünfsatzerfolg in der Abenddämmerung als vielleicht bestes Spiel in der Geschichte des Turniers. „Wenn wir irgendwann im Schaukelstuhl zusammen sitzen, werden Rafa und ich darüber mit Sicherheit noch einmal sprechen“, erklärte Federer, der die Niederlage auch zehn Jahre später als eine der „härtesten“ seiner Karriere bezeichnet.
Kommt es zum Duell mit Rafael Nadal?
Ob es 2018 zu einer Revanche kommt? Die Wahrscheinlichkeit dürfte nicht allzu hoch sein. Nadal hat im Vorfeld kein Turnier auf Rasen gespielt, den eigentlich geplanten Start in Queens sagte er nach dem Sieg bei den French Open ab. „Ich bin keine 20 mehr. Und deshalb muss ich manchmal solche Entscheidungen treffen.“ Zum Auftakt spielt Nadal am Dienstag gegen den Israeli Dudi Sela. In Wimbledon hat er es seit 2011 nicht weiter als ins Achtelfinale gebracht, auch im Vorjahr war in der Runde der letzten 16 Schluss.
Und so richten sich alle Augen auf Roger Federer. Gegen Lajovic stand er gerade einmal 79 Minuten auf dem Platz. „Ich habe mich wie zuhause gefühlt“, sagte er anschließend. Was wohl auch daran lag, dass sich seine beiden Töchter das Spiel aus der Box mitansahen und sogar die beiden Söhne kurz vorbeischauten. „Das ist schon etwas Besonderes und macht mich stolz“, sagte er. Und natürlich vergaß Roger Federer nach seinem Auftaktsieg auch die Fans nicht, die ihn überall auf der Welt so fantastisch unterstützen würden. In Wimbledon gilt das in diesem Jahr sogar noch ein bisschen mehr.