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Polo auf dem Maifeld. Image ist nicht alles.
© Imago

Polo-EM in Berlin: Relativer Reichenreitsport

Der Polo-Sport hat ein Snob-Image. Zwei Brüder kämpfen dagegen an – und in Berlin um den EM-Titel.

Am unangenehmsten seien die Siegerehrungen, sagt Caesar Crasemann. Das ist insofern ungewöhnlich, als dass Crasemann nicht selten derjenige ist, der auf dem Podium steht. Gemeinsam mit seinem Bruder Casper ist der 18-Jährige einer der erfolgreichsten deutschen Polo-Spieler. Sie sind vernarrt in den Sport, „echte Freaks“, sagt Casper. Aber die Champagner-Duschen auf dem Treppchen seien nicht hilfreich. Denn Polo gilt als versnobter Reichensport, das Erdbeeren-mit-Sahne-Image von Wimbledon haftet ihm an. „Du musst dich hier nur mal umsehen, hier sind doch alles normale Leute, man muss sich in keine Vip-Loge setzen, sondern kann einfach herkommen und zuschauen“, sagt der 26-Jährige Casper.

Hier, das ist das Polofeld in Werder. Dort werden die Vorkämpfe der Europameisterschaft gespielt, die an diesem Wochenende auf dem Berliner Maifeld ausgetragen wird. Tatsächlich findet man nur einen Anzugträger, die meisten sehen recht leger aus. Allerdings ist die Zuschauerzahl ohnehin überschaubar. Auf dem Maifeld soll das anders werden, die Veranstalter hoffen auf Besucherzahlen im vierstelligen Bereich. „Das Maifeld ist das wichtigste Polo-Feld der Welt, das sagen sogar Nationen wie Argentinien oder England, die in dem Sport eigentlich allen anderen überlegen sind“, erklärt Bernhard Willroth, Pressesprecher des Deutschen Polo Verbandes (DPV). Die Anlage ist deshalb so bedeutsam, weil sie seit den Spielen von 1936 das einzige olympische Polofeld weltweit ist.

Und die Crasemanns hoffen auf einen Heimsieg. Der härteste Gegner wird wohl Irland, noch so eine Polo-Nation. Favorit und Titelverteidiger England nimmt nicht am Turnier teil, die Gelegenheit wäre also günstig.

Die Engländer trugen den Sport zu Kolonialzeiten in die Welt

Die Engländer waren es auch, die den Sport zu Kolonialzeiten in die Welt trugen. Offiziere des Empire entdeckten den Sport in Indien für sich, um sich in den Abendstunden zu vergnügen. Das ist ein wichtiger Teil in der Geschichte des Polo. Denn damit versuchen ihre Anhänger, ein anderes Vorurteil zu entkräften: das der Tierquälerei. „Die Soldaten haben damals mit den Pferden gespielt, die sie tagsüber im Einsatz brauchten. Das Wohl der Tiere hatte deshalb oberste Priorität. Daran orientieren sich alle Regeln“, sagt Willroth.

Tatsächlich gibt es jede Menge Richtlinien, die sich für Außenstehende ohne Regelbuch nur langsam erschließen. Leicht nachvollziehbar dagegen ist, dass ein Pferd nicht länger als ein „Chucker“ spielen darf. Das ist ein Viertel der Spielzeit. Dann wird es getauscht. Ein Team besteht aus vier Spielern, das macht 16 Pferde pro Mannschaft. Klingt irgendwie doch nach Reichensport. „Die Pferde sind ja viel günstiger als zum Beispiel im Dressurreiten. Und wenn man einsteigt, kann man auch zunächst welche leihen“, sagt Casper Crasemann. Willroth ergänzt: „Es wäre überheblich zu sagen, man kann ein Pferd schon für kleines Geld erwerben. Aber der Sport ist viel günstiger, als man es sich vorstellt.“

Die Crasemanns aus Hamburg haben den Sport in den USA kennengelernt, ihr Vater spielt selbst. Heute sind sie diejenigen, die ihm etwas beibringen können. Auch wenn sie zur deutschen Spitze zählen, davon leben können sie nicht, Polo sei ein „Feierabendsport“. Selbst für die Europameisterschaft winkt kein Preisgeld. „Das wäre zu gefährlich für die Tiere, wenn plötzlich ein finanzieller Anreiz bestünde“, erklärt Caesar Crasemann. Er hat gerade sein Abitur abgeschlossen, nun will erst erst einmal für drei Monate nach Argentinien gehen, um dort zu trainieren. Und danach studieren: „Hauptsache irgendwo, wo man Polo spielen kann.“

Christian Vooren

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