Was sollen die Fan-Proteste?: RB Leipzig tut der Bundesliga gut
Immer noch wird die Mannschaft von RB Leipzig in anderen Stadien verunglimpft. Doch warum eigentlich? Sie ist nicht anders als andere. Ein Kommentar.
Der beliebteste Klub in Leipzig ist - RB Leipzig. Mit Abstand. Und das spüren sie beim Fußball-Bundesligisten. Besonders, wenn die Saison läuft. 13 Tage lang wird ihnen in der größten Stadt Sachsens wohlwollend auf die Schulter geklopft, applaudieren Großeltern und Enkel beim öffentlichen Training am Cottaweg, jubeln 40.000 Menschen über den Offensivfußball im schmucken Leipziger Stadion. Am 14. Tag, der Tag, an dem Spieler alle zwei Wochen dann auswärts antreten müssen, werden sie für 90 Minuten im Auswärtsstadion nach allen Regeln der Fankunst beschimpft. Der Leipziger Selbstwahrnehmung, ein ansonsten ganz beliebter Klub zu sein, tut das natürlich keinen Abbruch. Wie auch? Wenn einem zu 99 Prozent der Zeit gesagt wird, dass er toll ist, dann glaubt er daran.
Natürlich glauben die Leipziger das zu Unrecht, finden viele gestandene Fußballfans. Denn der vom Brausemilliardär Dietrich Mateschitz steht für manchen Traditionalisten für den Werteverfall im Fußball: RB Leipzig ist Retorte, traditionslos, kapitalistisch und, ja, imperialistisch.
Aber was haben die Leipziger nur verbrochen? Ihr Eigner hat sich einen unterklassigen Klub geschnappt, ihn binnen weniger Jahre durch alle Klassen marschieren und oben angekommen in der Bundesliga zu einem der Klassenbesten werden lassen. Mit sehr viel Geld. Das ist nicht verboten im Profußball. Allerdings sind die Leipziger natürlich ein Streber mit einem reichen Elternhaus, und wer mag schon den unbekannten Neuen in der Klasse, der sich mit seiner Leistung und Unterstützung der reichen Eltern nach oben strebt? Logisch sind da Aufsteiger aus Paderborn und auch vom 1. FC Union beliebter bei der Konkurrenz. Denn das sind keine Streber, die haben weniger Geld, die stellen sich hinten an und sind vielleicht im nächsten Schuljahr nicht mehr dabei. Weil sie dann sitzengeblieben sind. Dafür sind sie beliebter als RB Leipzig.
Wollen die Leipziger etwa die Bundesliga und nur noch mit sich selbst den Titel ausspielen?
Beim 1. FC Union wollen sie zum Auftakt gegen RB am Sonntag 15 Minuten schweigen, um gegen das Retortenprojekt aus Leipzig zu protestieren. Tief im Herzen schweigen die Fans aber aus womöglich einem anderen Grund: Es ist die Sehnsucht nach einer alten, heilen Fußballwelt mit weniger Kommerz. Die Welt, die alle Fans vielleicht noch bei ihrem ersten Spiel im Stadion kennengelernt haben, als sie zum ersten Mal an Papas Hand zum Fußball durften und es dort noch nach Bratwurst und nicht nach Red Bull duftete. Aber diese Welt, die kommt nie mehr in die Bundesliga zurück. Die gibt es auch beim 1. FC Union nicht, die Spieler tragen auf ihren Trikots für einen umstrittenen Immobilienkonzern Werbung.
Natürlich ist das Konstrukt RB Leipzig nicht so alt wie das vom FC Schalke 04 und einen moralisch so integren Sponsor wie das Team aus Gelsenkirchen ("Gazprom") haben sie Leipzig nicht. Und so viel Tradition und Erfolge (Schalke wurde sieben Mal Deutscher Meister, fünf Erfolge gab es zwischen 1934 und 1942) können sie in Leipzig auch nicht haben. Und kapitalistisch geht es auf Schalke auch unter dem Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies sicher nicht zu.
Aber was heißt eigentlich "imperialistisch"? Wollen die Leipziger die Bundesliga irgendwann übernehmen und dann nur noch mit sich selbst den Titel ausspielen? Die Gefahr ist ausgeschlossen. Nicht nur deshalb darf sich die Bundesliga diese Saison auch außerhalb Leipzigs darauf freuen, dass die beste Mannschaft aus dem Osten, dass RB Leipzig, den beiden etablierten Klubs aus München und Dortmund gehörig Dampf machen wird.