Kolumne Steilpass Inland: Rasenballsport Leipzig: Kritik am Konstrukt
Gibt es auf einmal nur noch RB-Sympathisanten? Unser Kolumnist Stefan Hermanns findet es wichtig, Rasenballsport Leipzig zu geißeln.
Es ist noch nicht lange her, da durfte man sich als Kritiker des Konstrukts Rasenballsport Leipzig e. V. als Teil einer breiten Mehrheit fühlen. Inzwischen scheinen sich die Verhältnisse in ihr komplettes Gegenteil verkehrt zu haben. Wer Rasenballsport immer noch nicht mag, ist mindestens ein Heuchler. Es war auch schon zu lesen, dass der Hass auf RBL in Wirklichkeit nur Ausdruck des eigenen Selbsthasses sei.
Man nennt das wohl die normative Kraft des Faktischen. Oder nicht ganz so geschwollen: Man gewöhnt sich an alles. Und wer sich nicht daran gewöhnen will, der wird eben mit der ganz dicken Keule traktiert: Was wollt ihr eigentlich noch? Haben die Leute in Leipzig nicht auch mal Bundesligafußball verdient? Spielt die Mannschaft nicht flott und ansehnlich? Und überhaupt: Gibt der Erfolg den Leipzigern nicht Recht?
Was ist das für eine Logik, dass man jemanden nicht mehr kritisieren darf, nur weil er erfolgreich ist?
Die Nostalgiker brüllen solchen Klubs wie Rasenballsport gerne entgegen: „Ihr macht unser’n Sport kaputt!“ Das ist natürlich Quatsch, weil der Fußball das bisher auch ohne fremde Hilfe ganz gut hinbekommen hat. Aber der Erfolg dieses sogenannten Vereins wird den Niedergang noch einmal entscheidend beschleunigen. Weil er die letzten Hürden für die Turbokommerzialisierung zum Einsturz bringen wird und der Druck auf die romantische 50+1-Regelung kurz- bis mittelfristig entscheidend zunehmen wird. In der jetzigen Form schützt 50+1 die Bundesliga nicht vor RB Leipzig. 50+1 beschützt RB Leipzig vor zu viel Konkurrenz durch die anderen Bundesligisten.
Im kapitalistischen Fußball gibt es im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten unterschiedliche Formen der Grausamkeiten: Es gibt Klubs, deren Überleben von den Launen eines milliardenschweren Mäzens abhängig ist, die sich an Hedgefonds verkaufen oder von russischen Staatsunternehmen sponsern lassen. Rasenballsport aber bewegt sich außerhalb dieses Rahmens. Das ist der Kern der Kritik. Und deshalb ist die Kritik an diesem Konstrukt nicht nur weiterhin gerechtfertigt, sie bleibt vor allem notwendig – ganz egal, wie erfolgreich die Leipziger künftig auch sein mögen.