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Ramadan ist Naschmonat. Aber erst nach Sonnenuntergang. Tagsüber essen und trinken gläubige Muslime nicht. Auch dieser Konditor und Fußballfan aus Algerien nicht.
© AFP

WM 2014 - Deutschland gegen Algerien: Ramadan und die WM: von Superkräften und Schwindelanfällen

Deutschland spielt am Montag wahrscheinlich gegen eine fastende Mannschaft aus Algerien. Beflügelt der Ramadan nun die Spieler oder belastet er sie?

Nichts essen, nichts trinken, nicht fluchen, keinen Sex. Die Regeln für den Fastenmonat Ramadan sind klar definiert. Passen sie aber zu einer Fußball-WM? Zum ersten Mal seit 1986 fällt das Turnier in die Fastenzeit. Und am Montag trifft die deutsche Mannschaft auf die Elf aus Algerien. Das Thema Ramadan betrifft nicht nur die Nordafrikaner, sondern mindestens weitere 17 Spieler bei den Franzosen, den Belgiern, den Schweizern, den Nigerianern und bei den Deutschen. Mesut Özil etwa, Mittelfeldspieler mit türkischen Wurzeln, kündigte an, dass er nicht fasten wird: „Ich kann da leider nicht mitmachen, weil ich arbeite. Das kommt für mich leider nicht infrage.“

An diesem Samstag beginnt der Ramadan und mehrere algerische Spieler haben schon in der Vorrunde angekündigt, dass sie fasten, falls sie ins Achtelfinale kommen. „Das Schlimmste ist der Durst und die Hitze, aber das ist okay, wir werden damit klar kommen“, sagt der algerische Kapitän Madjid Bouguerra. Der Algerier bestätigt, dass es keinen offiziellen Druck gebe zu fasten und dass seine Teamkollegen individuell entscheiden werden. Für sich gesprochen sagte er: „Ich mache das von meiner physischen Fitness abhängig, aber ich denke ich werde fasten.“

Für gläubige, muslimische Spieler hängt die Glaubenspraxis von ihrem kulturellen Kontext ab. Für viele ist der Ramadan aber eine Gewissensfrage. In den heiligen Schriften sind mehrere Ausnahmen festgeschrieben: Kinder, schwangere Frauen und Kranke dürfen nicht fasten. Auch Reisende sind von dieser wichtigen Säule des islamischen Glaubens befreit. Im Internet, in Moscheen und in theologischen Seminaren streiten sich Imame und Rechtsgelehrte um diesen Punkt. Sind Fußballer nicht auch Reisende? Einige Rechtsgelehrte interpretieren die heiligen Texte dahingehend, dass Menschen mit einem körperlich anstrengenden Beruf ihre Fastenzeit verschieben können. Beim Fußball kann man sich bekanntlich auch anstrengen.

Auch der Trainer der französischen Nationalmannschaft, Didier Deschamps, ließ bei einer Pressekonferenz seinen muslimischen Spielern die Wahl. „Unter den Weltmeistern von 1998 waren viele Muslime, Ramadan war nie ein Thema“, seine Spieler könnten selbst entscheiden ob sie fasten oder nicht. Er respektiere den Islam und die religiösen Gefühle jedes Spielers. Die Fastenzeit hat mehrere Bedeutungen für Muslime. Sie sollen tagsüber verspüren, was es heißt arm zu sein und Hunger zu leiden. Die Fastenzeit steht dabei idealtypisch für eine Zeit der seelischen und physischen Reinigung. „Fastet, damit ihr gesund bleibt“, sagte der Prophet Mohammed zu seinen Jüngern.

Fasten und spielen: Geht das gut aus?

Aus schulmedizinischer Sicht ist der Gesundheitsaspekt umstritten. Die medizinische Betreuung der Algerier sei auf den Fall vorbereitet, wenn mehrere oder alle Spieler fasten. Das berichten mehrere arabische Zeitungen. Das Trainingsprogramm werde dann entsprechend angepasst, die Ernährung umgestellt. So würden den Spielern bei einer Mahlzeit kurz vor Sonnenaufgang genügend Nährstoffe und genügend Flüssigkeit angeboten, damit sich Hunger und Durst in Grenzen halten. In Brasilien ist der Sonnenuntergang und damit das Fastenbrechen wegen der Nähe zum Äquator relativ früh um 17.30Uhr angesetzt. Beim Achtelfinale gegen Deutschland dürfen die fastenden Spieler also noch während der ersten Halbzeit das Fasten brechen, trinken oder essen.

Der Mannschaftsarzt der Algerier, Rachid Schelbi, arbeitete schon bei vielen europäischen Mannschaften. Auch beim französischen Meister Paris St. Germain. „Dort haben sie mich immer angehalten, die Spieler zum Nichtfasten zu bewegen“, sagt Schelbi, „dabei ist es erwiesen, dass einige Spieler viel bessere Leistungen erbringen und motivierter sind, wenn sie fasten.“ Im Netz diskutieren muslimische Fans, dass fastende Spieler Superkräfte entwickeln. Bei der WM 1986 kämpfte die Nationalmannschaft Marokkos in der Hitze Mexikos gegen Hunger und Durst und kam als Gruppensieger ins Achtelfinale.

Eine zweite Arztmeinung klingt aber anders: „Fasten mindert die Leistung erheblich“, sagt Sportmediziner Thorsten Dolla. Bei den Olympischen Spielen vor zwei Jahren in London erzielten viele fastende Athleten schlechtere Ergebnisse. Dolla warnt sogar vor der Kombination aus Fasten und Sport, besonders vor dem anstrengenden Fußballspiel. „Alleine wer in der Hitze einiger brasilianischer Spielorte auf den Zuschauerrängen sitzt und zuschaut, verliert mehrere Liter Wasser während einer Partie“, erklärt Dolla. Es sei Leistungssportlern deswegen nicht anzuraten zu fasten. Von Kopfschmerzen, über Schwindelanfälle bis hin zur Ohnmacht auf dem Rasen und bleibenden Schäden könne alles passieren.

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