Australian Open: Rafael Nadal scheidet in erster Runde aus
Für den Spanier Rafael Nadal sind die Australian Open bereits vorbei. Vor allem, weil er sein Spiel nicht an das moderne Tennis anpassen kann.
Fernando Verdasco genoss den tosenden Beifall der 15.000 Zuschauer in der Rod-Laver-Arena ausgiebig. Es war sein Moment, ganze sieben Jahre hatte der 32-jährige Spanier darauf warten müssen. Damals spielte er im Halbfinale der Australian Open gegen Rafael Nadal eines der spektakulärsten Matches der Turnierhistorie - und doch verlor er in 5:14 Stunden und fünf Sätzen. Der Stachel saß tief. Nun war dem Weltranglisten-45. in der ersten Runde die süße Revanche gegen seinen Kumpel gelungen, nach 4:41 Stunden mit 7:6, 4:6, 3:6, 7:6 und 6:2.
Nadal hatte längst seine Taschen geschultert und war enttäuscht durch die Katakomben der Arena geschlichen, vorbei an den Porträts der ehemaligen Champions. Auch an seinem eigenen, eben aus jenem Jahr 2009. Damals war Nadal noch die Nummer eins der Welt gewesen, kollektiv gefürchtet bei allen, die gegen ihn antreten mussten. Doch inzwischen ist der Mallorquiner Fünfter, und Angst hat keiner mehr vor ihm. Es scheint immer schwerer für den 14-maligen Grand-Slam-Champion zu werden, große Titel zu gewinnen. Besonders, da sich das moderne Tennis in eine neue Richtung entwickelt hat. Nadal will aber nicht aufgeben, daher ist er nun gezwungen, mit 29 Jahren sein vertrautes Spiel umzustellen - es ist wohl die schwierigste Herausforderung seiner Karriere.
Seine gefährlichste Waffe ist stumpf geworden
"Es ist so, als würde man den Fußballspielern vom FC Barcelona sagen, dass sie jetzt mal ganz anders spielen müssten", meinte sein Onkel und Coach Toni Nadal: "Es ist nicht leicht, aber es muss gemacht werden. Wir haben keine Wahl." Schon während der vergangenen Jahre hatte Rafael Nadal bemerkt, dass seine gefährlichste Waffe immer stumpfer geworden ist: seine Vorhand, die weltweit niemand mit diesem irrwitzigen Spin spielen konnte, wie er. Doch mittlerweile hat sich die Beschaffenheit vieler Bodenbeläge verändert, genau wie die der Bälle - und so nehmen die Filzkugeln den Drall nicht mehr so an wie früher. Auch gegen Verdasco machte ihm das zu schaffen. "Ich konnte mit meiner Vorhand heute überhaupt keinen Schaden anrichten", beklagte Nadal, "ich schlug meine Vorhand, aber er konnte immer noch Winner spielen - das kann doch nicht sein." Im Training versucht Nadal nun seit der Saisonvorbereitung, seinen Vorhandschlag umzustellen, um wieder mehr Power zu entwickeln. Zudem gibt er seine Komfortzone auf und versucht, statt extrem weit hinten nun näher an der Grundlinie zu stehen, um den Druck zu verstärken. "Mir fällt es schwer, diese Dinge zu ändern", gibt Nadal zu, "aber es ist der richtige Weg. Tue ich es nicht, bin ich tot." Seit seinem dritten Lebensjahr arbeitet sein Onkel Toni akribisch mit Nadal, hat alle Rückschläge und die häufigen Verletzungen mit ihm durchlebt. Rafael Nadal hatte sich immer zurückgekämpft, oft spektakulär. Auch, weil er stetig an seinem Spiel feilte. Doch nach seiner langwierigen Handgelenksverletzung im Sommer 2014 brauchte der Mallorquiner nun viel länger als gewöhnlich, um wieder in Tritt zu kommen. Ganz der Alte ist er bis heute nicht. Auf einmal verliert er öfter und so schwindet seine Aura immer mehr. Sogar die Außenseiter wittern inzwischen ihre Chance gegen Nadal, so gelang selbst Dustin Brown in Wimbledon der Coup. Bei den US Open erwischte es Nadal früh gegen Fabio Fognini, nun schaffte es also Verdasco. Doch es ist nicht nur der fehlende Spin, der Nadal zu schaffen macht, sondern die neue Entwicklung im modernen Tennis. "Jeder schlägt jetzt nur noch Winner und das aus jeder Position", bemängelt Nadal, "das Spiel wird so immer verrückter." Er ist es gewohnt, mehrere Bälle zu schlagen, um einen Punkt aufzubauen. So, wie es auf Sand stets gespielt wurde. Jetzt wird meist nur noch mit Wucht auf jeden Ball draufgehauen, das ist hart für Nadal. Besonders ohne seine tödliche Vorhand.
"Es ist ein sehr komplizierter Prozess", sagte Toni Nadal. "Er hat sein ganzes Leben auf dem Platz immer die gleichen Dinge gemacht und das sehr gut. Es ist noch schwerer, etwas zu ändern, mit dem man so viel Erfolg hatte." Seine Konkurrenten Novak Djokovic, Roger Federer und Andy Murray haben momentan klar die Oberhand gegen ihn. Doch will Nadal noch einmal die Chance auf einen Major-Titel haben, muss er sich neu erfinden. Und ein möglicher zehnter Triumph bei den French Open ist sicher Motivation genug.
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