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An der Taktiktafel. Vince Malette (l.) mit Cheftrainer Jeff Tomlinson.
© Imago

Eisbären-Assistent Vince Malette: Professor in Orange

Vince Malette war lange Assistent bei den Ottawa 67s, einer der besten Jugendmannschaften Kanadas. Jetzt lockt er als Co-Trainer der Eisbären Talente nach Berlin.

Zum Abschluss des Trainings bittet Jeff Tomlinson zum Penalty-Schießen. Der Eisbären-Coach macht das öfter, um für gute Laune zu sorgen, auch vor dem Spiel am Sonntag in Wolfsburg (14.30 Uhr). Diesmal wird kein Sieger, sondern ein Verlierer ermittelt. Einer nach dem anderen trifft ins Netz, nur ein einziger bleibt torlos: Vince Malette, einer von Tomlinsons Assistenten, neben Hartmut Nickel, der die Tradition der Eisbären verkörpert, und Chris Lee, der die Talente fördern soll.

Ganz selten steht der 52-jährige Kanadier Malette so im Mittelpunkt wie nach dem verlorenen Trainingsspielchen. Er wirkt im Hintergrund, ist für die Videoanalysen und das Unterzahlspiel zuständig und betreut während der Spiele die Verteidiger. Außerdem kümmert er sich um die Nachwuchsleute im Kader und hilft Manager Peter John Lee, Spieler aus Nordamerika zu verpflichten.

Später verrät Malette süß-sauer lächelnd, was ihm nach dem erfolglosen Penaltyschießen blüht: Die Spieler dürfen ihn demnächst mit Bräunungsspray traktieren. Sich ausgerechnet den zurückhaltenden Malette mit leuchtend orangenem Instantteint vorzustellen, fällt schwer. Wirkt er doch stets distinguiert, fast melancholisch. Malette könnte auch als Literaturprofessor durchgehen. Der Gegensatz zu seinem fast neun Jahre jüngeren Chef, der während des Spiels oft aussieht, als wolle er über die Bande springen und mitspielen, könnte kaum größer sein.

Doch der Eindruck täuscht, auch Malette lebt für seinen Sport. Auf eine Spielerkarriere verzichtete er zugunsten eines Wirtschaftsstudiums, danach wurde er Trainer. Lange war er Assistent bei den Ottawa 67s, einer der besten Jugendmannschaften Kanadas, danach Cheftrainer verschiedener Juniorenteams. Viele seiner Zöglinge schafften es in die nordamerikanische Profiliga NHL, wo er daher einen exzellenten Ruf als Ausbilder genießt. Einer seiner Chefs in Ottawa war in der Saison 1994/95 auch Peter John Lee. Später, als Manager der Eisbären, ließ er Malette in der Sommerpause die Berliner Talente schulen. Dabei lernte er den damaligen Assistenten Tomlinson kennen. „Er hat mir die Spielphilosophie der Eisbären erklärt“, sagt Malette, „meine war sehr ähnlich. Da wusste ich, dass ich hierher passe.“ Als Tomlinson 2010 nach Düsseldorf ging, wurde er sein Nachfolger als Co-Trainer, an der Seite von Don Jackson drei Mal Meister.

Wie sehr er sich in dieser Zeit unverzichtbar gemacht hat, zeigte sich im Sommer. Jackson hatte seinen Abschied verkündet, ein Nachfolger war noch nicht gefunden. Trotzdem verlängerte Lee den Vertrag des Assistenten, der die Kontinuität der Eisbären-Spielidee verkörpern sollte. Malette sagte Angebote ab, wieder in Kanada zu trainieren. „Das wäre für mich der beste Weg gewesen, um einmal in der NHL zu arbeiten“, sagt er, „aber ich mag Berlin einfach.“

Malette durfte bei der Auswahl seines künftigen Vorgesetzten helfen, es wurde der alte Vertraute Tomlinson. Unter dessen Ägide hat er größere Freiheiten: „Jackson hat nur Aufgaben verteilt, jetzt arbeiten wir Trainer als Team zusammen“, sagt er. Seine Handschrift ist am deutlich verbesserten Unterzahlspiel ablesbar. Doch Malettes Kompetenzen gehen über den Ligaalltag hinaus. Denn weil er viele Spieler in Nordamerika als Junioren trainiert hat, kann er sie persönlich überzeugen, nach Berlin zu kommen. Julian Talbot und Matt Foy etwa, aber auch Shawn Lalonde.

Hat ein Spieler unterschrieben, kümmert er sich darum, dass er sich hier einlebt. Denn die Probleme, die ein Nordamerikaner in Europa haben kann, kennt er. Seine Frau sieht er nur selten, sie arbeitet in Kanada. „Ich habe hier lange nur in meiner Wohnung gesessen und mich mit Eishockey beschäftigt“, sagt er. Das ist nun vorbei: Eine seiner erwachsenen Töchter ist bei ihm eingezogen, sie will hier Deutsch lernen. Seine Zuneigung zu Berlin wirkt nicht nur auf Eishockeyspieler ansteckend.

Jan Schröder

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