Ein besonderes Geflecht: Potsdam nach der Spitzelaffäre
Als der frühere Chef der Potsdamer Stadtwerke Peter Paffhausen wegen einer Spitzelaffäre seinen Job verlor, fiel mit ihm ein ganzes System in sich zusammen. Wie Potsdam einen Neuanfang versucht.
Davor. Danach. Es ist eine einfache Zeitrechnung, die sich in Potsdam gefunden hat. In der Danachzeit ist die Stadt jetzt im neunten Monat. Der Nullpunkt, das war der Mai 2011. Was in jenen Tagen als Orkan begann, ist nur noch eine kräftige Brise. Doch der Wind hat sich gedreht in Brandenburgs Landeshauptstadt. Potsdam versucht sich zu entfilzen.
Im Mai 2011 war ein System in sich zusammengebrochen, das die prosperierende Sanssouci-Stadt jahrelang geprägt hat. Auslöser: ein Bericht über eine Bespitzelungsaktion aus dem Jahr 2001. Auftraggeber ist Stadtwerke-Chef Peter Paffhausen, der Bespitzelte Horst Müller-Zinsius, damals Chef der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Gewoba. Ein Sicherheitsdienstler, ein ehemaliger hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter, hatte für den Stadtwerke-Chef Informationen bei Gewoba-Mitarbeitern abgeschöpft. Sein Bericht war nicht zum ersten Mal aufgetaucht. Sechs Jahre zuvor hatte ein Anonymus das Schreiben schon einer Rathausfraktion zugespielt. Damals blieb das folgenlos. Nicht so im Mai 2011. Die Spitzelei als untragbares Agieren des Chefs eines städtischen Unternehmens wurde Mittel zum Zweck: Das Rathausbündnis aus SPD, CDU, Bündnis 90/Grüne und FDP entzog dem seit 14 Jahren amtierenden Stadtwerke-Chef das Vertrauen – gegen die Linke und SPD-Oberbürgermeister Jann Jakobs. Paffhausen war nicht mehr zu halten, mit ihm fiel das System.
Ein Konstrukt, dessen langjährige Existenz im Rückblick verblüfft. Sind doch die Strukturen, die es ermöglichten, übersichtlich: Paffhausen verfügt als Stadtwerke-Chef über volle Kassen, die der Stadt sind leer. Aus dem Schattenhaushalt wird finanziert, was das zur Konsolidierung verpflichtete Potsdam sich nicht leisten darf. Das schafft Abhängigkeiten. Und Paffhausen sponsert, vor allem Sportvereine, auch den Fußball-Drittligisten SV Babelsberg 03, dessen Aufsichtsratschef er selbst ist. Wie viel Geld an wen geht, bleibt geheim. Die Stadtverordneten in den Aufsichtsräten fragen kaum nach. Transparenzbegehren wimmelt die Stadtspitze kategorisch ab. Dazu das unberechenbare Rathaus, dessen Bauverwaltung Ungleichbehandlung und Willkür 2007 sogar per Gutachten attestiert bekam. Wer das System nicht stützt, gar kritisiert, befürchtet Nachteile. So kann sich ein Klima, das Filz und Machenschaften befördert, in Ruhe ausbreiten.
Als Paffhausen seinen Stuhl räumt, die Danachzeit beginnt, brechen Dämme. Skandal folgt Enthüllung folgt Skandal. Es geht nicht mehr nur um Sponsoring und Spitzeleien, sondern auch ums Potsdam-Monopoly, um schräge Geschäfte auf dem prallen Immobilienmarkt der wachsenden Landeshauptstadt, um das unkontrollierte Gestrüpp städtischer Unternehmen. Auch die Offensive des Fernsehmoderators Günther Jauch, der als Potsdamer Immobilienbesitzer millionenschwere Wohnungsprivatisierungen im Jahr 2001 als möglicherweise abgekartetes Spiel anprangert, fällt in diese Zeit. Dass wenige Monate zuvor Rainer Speer als Innenminister zurücktrat, begünstigt die Welle der Aufklärung. Speer verband als langjähriger Potsdamer SPD-Chef und Präsident des SV Babelsberg 03 die Fäden zwischen Stadt und Land.
In die Wogen setzten das Rathausbündnis und der Oberbürgermeister, mittlerweile auf die neue Linie eingeschwenkt, eine Transparenzkommission. Das Ziel: eine entfilzte Stadt. Der Prozess ist mühsam, aber er läuft. Neue Richtlinien für Sponsoring und Immobiliengeschäfte werden aufgelegt, die kommunalen Unternehmen und ihre Aufsichtsräte neu geordnet. Aus der Davorzeit ist aber noch eine Rechnung offen. Paffhausen klagt auf seine Abfindung von 1,4 Millionen Euro. Vor Gericht wird Potsdam womöglich schnell wieder am Nullpunkt ankommen.