Abwärtstrend bei Borussia Mönchengladbach: Plötzlich ist alles anders
Noch Anfang Februar wurde Borussia Mönchengladbach als Titelkandidat gehandelt, nun wird es sogar mit der Champions League knapp. Der Verein hat reagiert.
Die Niederlage war so schmerzhaft, wie sie nur sein konnte: 0:2 verlor Borussia Mönchengladbach beim bereits abgeschlagenen Tabellenletzten. Der Abstand auf Platz vier wuchs durch die Niederlage auf vier Punkte an. Ziemlich genau drei Jahre ist das jetzt her. So wie damals, so sind die Gladbacher auch heute Tabellenfünfter; so wie heute, so war auch damals Hannover 96 Tabellenletzter. Damit aber erschöpfen sich die Gemeinsamkeiten. Vor drei Jahren trat Granit Xhaka nach der Niederlage in Hannover vor die Mannschaft und verkündete, dass man sehr wohl noch die Champions League erreichen werde. „Wer soll denn besser sein als wir?“, fragte er seine Kollegen.
Es ist noch nicht lange her, da hätten auch die aktuellen Spieler der Borussia diese Frage stellen können – und es wären einem nicht viele Antwortmöglichkeiten eingefallen. Anfang Februar belegten die Gladbacher Platz zwei, punktgleich mit Bayern und nur fünf Punkte hinter Tabellenführer Dortmund. Bis dahin, so hat es Trainer Dieter Hecking gesagt, war „alles toppi“. Acht Wochen später ist nichts mehr toppi: Acht Wochen später ist nicht mehr toppi: Dortmund und Bayern sind längst enteilt, während die Gladbacher auf Platz fünf zurückgefallen sind. Seit dem vergangenen Wochenende, seit der 1:3-Niederlage gegen Fortuna Düsseldorf, stehen sie erstmals seit dem vierten Spieltag nicht mehr auf einem Champions-League-Platz.
Im Moment fehlt Heckings Mannschaft einiges. Unter anderem ein Spieler wie Granit Xhaka, der nicht nur feine Pässe quer über den Platz spielen kann, sondern auch über ein unerschütterliches Selbstbewusstsein verfügt. Zuletzt präsentierten sich die Gladbacher eher wie Zweifelnde. Und an diesem Sonntag (18 Uhr, live bei Sky) treffen sie im ausverkauften Borussia-Park auf Werder Bremen, derzeit so etwas wie ihr Gegenmodel: Unter der Woche haben die Bremer das Halbfinale des DFB-Pokals erreicht, dazu ist Werder in diesem Jahr noch ungeschlagen.
Ausgerechnet in dieser Situation setzen sie in Gladbach auf die Mentalität der Spieler
Borussias Krise ist mehr als eine Delle. In allen Kategorien haben sich die Werte verschlechtert: Die Mannschaft läuft weniger, sie lässt mehr Torchancen zu und erspielt sich selbst deutlich weniger als noch in der Hinrunde. Bis Ende Januar hatten die Borussen sämtliche Heimspiele gewonnen, seitdem warten sie auf einen weiteren Sieg vor eigenem Publikum. In die Rückrunde startete die Mannschaft mit drei Siegen und 5:0 Toren; die Ausbeute aus den folgenden sieben Spielen lautete: fünf Punkte, 5:16 Tore. Klingt ein bisschen nach der Bilanz eines Abstiegskandidaten.
Ausgerechnet in dieser Situation setzen sie in Gladbach auf - die Mentalität der Spieler. Das liegt daran, dass seit dieser Woche alles anders ist. Am Montag setzte sich Sportdirektor Max Eberl in sein Auto und fuhr 280 Kilometer nach Bad Nenndorf, Heckings Wohnort, um dem Trainer mitzuteilen, dass ihre Zusammenarbeit nach der Saison enden werde. Am Dienstag erfuhr es zuerst die Mannschaft, dann die Öffentlichkeit. Eberl hat entschieden darauf hingewiesen, dass die bevorstehende Trennung von Hecking nichts mit den zuletzt dürftigen Resultaten zu tun habe.
„Wir wollen uns neu aufstellen für die Zukunft“, begründete Eberl seine Entscheidung. „Und es kann sein, dass das nicht nur den Trainer betrifft.“ Seitdem ist so viel hin- und her diskutiert worden, dass Borussias Sportdirektor am Freitag fragte: „Was habe ich da losgetreten?“ Selbst über seinen eigenen Rückzug wurde spekuliert und über eine Verpflichtung von Rouven Schröder, dem Sportdirektor von Mainz 05.
Marco Rose ist als neuer Trainer im Gespräch
Zu solchen Detailfragen verweigert Eberl konsequent die Antwort, auch zu den Spekulationen, dass Marco Rose von RB Salzburg der Trainer sein werde, der ab dem Sommer die Neuausrichtung anleiten soll. Wichtig ist ihm im Moment nur, dass die aktuelle Mannschaft sich noch einmal neu ausrichten kann; dass sie nach zwei vergeblichen Anläufen die Qualifikation für den Europapokal schafft, idealerweise für die Champions League. „Das ist etwas, wo ich richtig Bock drauf habe“, sagt Eberl.
Der angekündigte Wechsel soll in einer verfahrenen Situation noch einmal einen positiven Impuls erzeugen. Die Mannschaft werde definitiv eine Reaktion zeigen, glaubt Eberl. Sei es aus einem Gefühl der Dankbarkeit für Trainer Hecking. Aus schlechtem Gewissen. Aus Erleichterung. Oder einfach, weil die Spieler die Saison zu einem guten Ende bringen wollen. „Diese Mannschaft will nach Europa“, sagt Hecking. „Nicht wegen mir. Sie will es für sich selber.“