Berliner haben Personalsorgen: Plastikdummies statt Spieler bei Hertha BSC
Hertha BSC muss in der finalen Phase der Saisonvorbereitung auf wichtige Spieler verzichten. Nun ist Improvisation gefragt.
„Wie viele brauchen wir denn, Bruno?“, fragte Olaf Janßen, der Co-Trainer von Hertha BSC, gleich zu Beginn der Trainingseinheit. „Wie viele haben wir denn?“, entgegnete Bruno Labbadia, Janßens Chef. Gute Frage, auch wenn es im konkreten Fall um die Hütchen ging, die Janßen auf dem Platz verteilen wollte – und nicht um die Spieler, die Herthas Trainer am Dienstagvormittag zur Verfügung standen.
Wie viele haben wir denn? Gerade mal neun Feldspieler waren es, die sich zum Auftakt der Trainingswoche zur Arbeit auf dem Schenckendorffplatz versammelt hatten. Eine sehr überschaubare Gruppe, nachdem neun Herthaner zu ihren Nationalteams abgereist sind, Santiago Ascacibar und Dedryck Boyata verletzt fehlen und sich kurzfristig auch noch Niklas Stark (Infekt), Karim Rekik (Adduktorenprobleme) und Dodi Lukebakio (Sprunggelenkprobleme) als unpässlich abgemeldet hatten. „Da müssen wir durch“, sagte Labbadia.
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Es ist eine besondere Situation – nicht nur für Bruno Labbadia und Hertha BSC, sondern auch für viele andere Bundesligisten, die gerade in die finale Phase der Saisonvorbereitung gehen und nun auf wichtige Spieler verzichten müssen. Gut anderthalb Wochen sind es noch bis zum Pflichtspielauftakt im DFB-Pokal, in dem Hertha BSC beim Zweitligisten Eintracht Braunschweig antreten muss.
Dass die unmittelbare Vorbereitung darauf wegen der Länderspielabstellungen kompliziert werden würde – das ist seit langem bekannt. Es tatsächlich zu erleben ist dann doch noch etwas anderes. „Uns gehen 14 Tage der Vorbereitung verloren“, sagt Labbadia.
Torhüter Körper hilft in der Verteidigung aus
Herthas Trainer schob und zog am Dienstagmorgen zwei aufgeblasene Plastikdummies über den Platz, er postierte sie vor dem Tor, um die Lücken im Personal wenigstens notdürftig zu stopfen. Improvisation ist jetzt gefragt. So wie bei der abschließenden Übung der Einheit, in der Labbadia das Spiel aus der Abwehr heraus in die Spitze trainieren ließ und Ersatztorhüter Nils Körper mangels anderer Kandidaten den Platz des zweiten Innenverteidigers einnehmen musste.
„Es wäre nicht gut zu jammern. Wir müssen die Situation so annehmen“, sagt Labbadia. „Natürlich ist das nicht optimal, aber wir haben auch in der Corona-Zeit keine optimalen Bedingungen gehabt. Trotzdem haben wir das Optimale daraus gemacht.“ Anstatt, wie sonst in diesem Stadium der Vorbereitung, am letzten Schliff zu arbeiten, wird es in den nächsten Tagen viele gruppentaktische Übungen geben, individuelles Training – dazu viele Gespräche mit den Spielern, die noch da sind.
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Zumindest bei Stark, Rekik und Lukebakio rechnet Labbadia mit einer baldigen Rückkehr auf den Platz; Luca Netz, 17 Jahre alt, konnte nach seiner Fußverletzung aus dem Frühjahr am Dienstag erstmals wieder mit der Mannschaft trainieren. Sein Einsatz am kommenden Samstag, im finalen Test vor dem Saisonstart gegen den Hamburger SV, ist aber eher nicht geplant. Vielleicht könne Netz wenigstens auf der Ersatzbank sitzen und zumindest für die letzten Minuten aufs Feld kommen, sagt Labbadia.
Der letzte Test in der Vorbereitung dient in der Regel dazu, die vermeintliche Stammelf aufzubieten und ihr die Chance zu geben, sich einzuspielen. Daran wird am Samstag nicht zu denken sein. Herthas Mannschaft gegen den HSV wird bunt zusammengewürfelt sein – aus echten Leistungsträgern wie Matheus Cunha oder Lucas Tousart bestehen, aber auch mit potenziellen Wechselkandidaten wie Lukas Klünter und Mathew Leckie bestückt sein.
"Wir hoffe, dass wir zumindest elf Spieler zusammenbekommen"
Bruno Labbadia wird es sich nicht leisten können, besonders wählerisch zu sein. „Wir hoffen, dass wir zumindest elf Spieler zusammen bekommen“, sagt Herthas Trainer, der sich wohl nicht mal bei der eigenen U 23 bedienen kann. Die Regionalligamannschaft muss in dieser Woche selbst zwei Pflichtspiele bestreiten.
Möglicherweise stehen Labbadia in Hamburg kurzfristig zumindest noch die drei holländischen U-21-Nationalspieler Javairo Dilrosun, Deyovaisio Zeefuik und Daishawn Redan zur Verfügung. Eigentlich sollen sie mit Jong Oranje am Freitag in Schodsina gegen Weißrussland antreten. Da das Land jedoch als Corona-Risikogebiet eingestuft ist, fürchtet Hertha, dass die Spieler nach ihrer Rückkehr erst einmal in Quarantäne müssen – und damit für das Pokalspiel in Braunschweig ausfallen könnten. Deshalb denkt der Klub darüber nach, die Abstellung zu verweigern. Ähnliches gilt für Peter Pekarik und Ondrej Duda, die mit der Slowakei in Israel spielen müssen.
Aber selbst wenn Dilrosun, Zeefuik und Redan am Wochenende in Hamburg auflaufen und nicht in Weißrussland, müssten sie anschließend für das U-21- Länderspiel gegen Norwegen wieder zurück in ihre Heimat. Die Partie findet am Dienstag statt, erst am Mittwoch kämen die Spieler nach Berlin zurück, genau wie Arne Maier von der deutschen U 21. Zwei Tage später spielt Hertha in Braunschweig.