WM 2014 - WM-Kolumne: Plastik-Radkappen an einem Bentley
Unser WM-Kolumnist Frank Lüdecke warnt Fußballer vor falschem Schuhwerk beim WM-Turnier.
Vier Mannschaften noch – und unsere ist dabei! Dazu gleich mehr, aber vorab eine Randnotiz: Die Schuhe! Ist Ihnen das auch aufgefallen? Das aktuelle Schuhwerk der Sportartikelhersteller sieht bisweilen aus, als sei beim Farbdruck die Maschine kaputtgegangen. Wir sehen grün-gelb-orangene Oberflächen oder ein geschecktes Gemisch aus Weiß, Rot und Violett. Gerne auch beides gleichzeitig. So dass bei manchen Spielern der Eindruck erweckt wird, man habe in der Eile kein passendes Paar gefunden. Was ja eigentlich auch egal ist. Nur dass es für den mitfiebernden Zuschauer zunehmend schwieriger wird, die Schönheit eines Tores, die Raffinesse eines Tricks angemessen zu bewundern, weil der Blick immer wieder auf die grellen Punkte an den Füßen gelenkt wird. Dadurch gerät die Gesamterscheinung der Spieler unvorteilhaft aus der Balance. Ich schraube an meinen Bentley ja auch keine Plastik-Radkappen. Es ist auch schade für die Beteiligten selbst. Wenn spätere Generationen sich Höhepunkte der WM in Brasilien anschauen. Und dann nicht sagen: Was für ein tolles Tor! Sondern: Was hat der denn da an den Füßen?
Aber was soll’s.
Deutschland ist im Halbfinale, egal mit welchen Schuhen. Und wenn es darauf ankommt, treffen wir sowieso per Kopf. Da spielen die Schuhe gar nicht so eine Rolle. Eher die Frisur.
Was mich allerdings sehr irritiert, ist, dass Jogi Löw jetzt gelobt wird, er lasse endlich „erfolgsorientierten Fußball“ spielen. Was soll das heißen? Haben wir in den letzten Jahren nicht erfolgreich Fußball gespielt? Ich schreibe immer „wir“ – in diesen Tagen kommt mir die notwendige Distanz vollständig abhanden.
Ich sehe es so: Deutschland steht seit zwölf Jahren in jedem WM-Halbfinale. Andere Länder wären schon froh, überhaupt mal teilnehmen zu können, vom Halbfinale ganz zu schweigen. Argentinien feiert gerade die erste Halbfinalteilnahme seit 24 Jahren. Also bleibt mal locker, Leute.
Richtig auf die Palme bringt mich eine neue intellektuelle Volte des Feuilletons. Bekanntlich soll da ja eine geheime Verbindung bestehen, zwischen Fußball und Politik. Demnach sei der Sieg 1954 Ausdruck des Wirtschaftwunders gewesen. Die 70er Jahre mit dem vermeintlich schönsten Fußball hätten ihre Entsprechung im Demokratieverständnis Willy Brandts gefunden. Und der Sieg 1990 in der deutschen Wiedervereinigung.
Und heute nun sei der etwas schmucklosere, aber doch sehr effiziente deutsche Fußball ein Ausdruck des Politikstils von Angela Merkel. Was bitte?! Also das finde ich richtig gemein. Dem Fußball gegenüber. Wenn der deutsche Fußball so effizient wäre wie die deutsche Politik – stünden wir dann jetzt im Halbfinale?
Frank Lüdecke