Hamburger SV: Pierre-Michel Lasogga: Leihe lohnt sich
Am Sonntag hat Pierre-Michel Lasogga den schnellsten Auswärts-Hattrick der Bundesliga-Geschichte markiert. Jedes Tor, das der ausgeliehene Berliner für den HSV erzielt, macht den Stürmer auch für Hertha BSC wertvoller.
Wenn man Artjoms Rudnevs, Maximilian Beister und Jacques Zoua schon hat, was soll man dann mit Pierre-Michel Lasogga? So ungefähr ging es vielen Fans des Hamburger SV, als Anfang September Lasogga im Tausch mit dem Norweger Per Skjelbred aus Berlin kam. Immer wieder hatte der inzwischen entlassene Hamburger Trainer Thorsten Fink auf die Lücke im Angriff verwiesen, nachdem der HSV Heung-Min Son für zehn Millionen Euro an Bayer 04 Leverkusen verkauft hatte. Und Hamburg wäre nicht Hamburg, hätte nicht sofort jemand Dirk Kuijt und Roque Santa Cruz ins Spiel gebracht – um Santa Cruz hatte sich Sportchef Oliver Kreuzer in seiner ersten Amtshandlung tatsächlich bemüht, vergebens. Statt großer Namen kam also kein alternder Star, sondern Lasogga. Statt einer echten Lösung, für die dem HSV schlichtweg das Geld fehlt, einer, der kaum besser oder schlechter als die oben aufgezählten Angreifer spielt, der eher der Kategorie solides Mittelmaß zuzuordnen ist.
Lasogga sollte das Hamburger Sturmproblem irgendwie kaschieren helfen. Die heimliche Hoffnung war, dass einer der vier Stürmer immer mal wieder über sich hinauswachsen würde. So wie momentan Lasogga.
Dessen Tore haben Thorsten Fink nicht mehr retten können; er wurde bekanntlich entlassen. Sein Nachfolger Bert van Marwijk hat andere Vorstellungen. Er sah das Pokalspiel gegen Fürth mit dem Siegtorschützen Lasogga und fortan keinen Grund, auf einen anderen zu setzen als auf diesen 21 Jahre alten Mann aus Gladbeck. „Pierre-Michel ist ein unglaublich guter Junge“, sagte van Marwijk nach dem 5:0-Sieg des HSV am Sonntag beim 1. FC Nürnberg, „und er ist ein guter Stürmer.“
Einmal traf Lasogga bei van Marwijks Hamburger Bundesliga-Debüt, dem 2:2 in Frankfurt. Drei Tore schoss der bullige Angreifer beim Club – in acht Minuten. Das war der schnellste Hattrick in einem Auswärtsspiel, der je in der Bundesliga erzielt wurde. Insgesamt kommt Lasogga nun auf fünf Einsätze für den HSV und auf fünf Treffer – damit steht er ganz allein für den Hamburger Umschwung in den vergangenen beiden Wochen. Während mancher in Berlin schon dem Leihgeschäft Lasoggas nachweint, ist er Hamburgs große Hoffnung. In seiner neuen Wahlheimat hatte er sich gleich nach seinem Wechsel Freunde gemacht. Er hatte nicht groß geredet, und schwadroniert, wie toll er es fände, nun beim HSV gelandet zu sein. Sondern einfach trainiert. Jeder wusste ja, dass Lasogga gern auf die nächste Chance bei der Hertha gewartet hätte. Doch dieser Weg war ihm verstellt. Jos Luhukay setzt auf Adrian Ramos, dahinter hat er in Sami Allagui und Sandro Wagner weitere Alternativen für die Sturmposition. Unter diesen Gesichtspunkten war absehbar, dass Lasogga in Berlin nicht auf jene Einsatzzeiten kommen würde wie derzeit beim HSV.
Er selbst hat dann die Entscheidung getroffen, sich ausleihen zu lassen. Auch weil er sah, dass alte Verdienste nicht zählten: In der Saison 2010/2011 hatte Lasogga als junger Hertha-Angreifer in der Zweiten Liga mit 13 Toren überzeugt, ebenso in der anschließenden Bundesligasaison (2011/12) mit acht Toren. Im Mai 2012 warf ihn ein Kreuzbandriss aus der Bahn. Und im Aufstiegsjahr 2013 spielte er nur eine untergeordnete Rolle. Wohl gefühlt hatte sich der bei den Fans beliebte Stürmer immer in Berlin.
Inzwischen hat Lasogga realisiert, wie schön es sich anfühlt, wieder gebraucht zu werden: denn der HSV suchte händeringend einen Abnehmer der Standards. Weder Zoua noch Rudnevs noch Beister sind Fachleute der Abteilung Kopfball. Das ist schlecht, denn in Rafael van der Vaart und Hakan Calhanoglu stehen Experten für Eckbälle und Freistöße bereit. Am Ende der Verwertungskette steht nun Lasogga – und traf in Frankfurt und Nürnberg prompt nach Eckbällen.
Deshalb fordert mancher im Anhang des HSV, aus dem Leihgeschäft einen Kauf zu machen. Das Leihgeschäft umfasst nur zehn Monate bis zum 30. Juni 2014 und beinhaltet keine Kaufoption. Die Transferrechte liegen weiterhin bei Hertha, wo Lasogga noch einen gültigen Vertrag bis Juni 2015 hat. „Es macht keinen Sinn, jetzt drüber zu reden“, sagt Oliver Kreuzer. Ein wenig Hoffnung verbreitet der Hamburger Sportchef aber doch: „Wenn er weiter trifft, wird er hierbleiben wollen.“ Es ist wohl eher so: Wenn er weiter trifft, wird ihn Hertha erst recht zurück haben wollen. Oder aber er wird teuer. Mit Leistungen wie zuletzt steigert Lasogga seinen Marktwert erheblich. Hertha wird nichts dagegen haben.