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Ausnahme Marti Perarnau: Bayern-Trainer Pep Guardiola kann sich aussuchen, mit wem er redet.
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Neues Buch über den Trainer vom FC Bayern München: Pep Guardiola und die Idee hinter der Idee

Vor kurzem ist ein Buch über das erstes Jahr von Trainer Pep Guardiola beim FC Bayern erschienen. Es legt den Blick frei in den Maschinenraum. Man erkennt zum ersten Mal, wie Guardiola funktioniert. Eine Kritik.

„Ich habe mich geirrt, Mann. Ich habe mich total geirrt. Das ist eine große Scheiße. Die größte Scheiße, die ich als Trainer je gemacht habe.“ 0:4 hat der FC Bayern München gerade das Rückspiel im Halbfinale der Champions League gegen Real Madrid verloren. Der Traum von der erfolgreichen Titelverteidigung endet in einem Debakel – und Pep Guardiola weiß natürlich, warum es so gekommen war. Schon in der Pressekonferenz übernimmt er die Verantwortung für das Ausscheiden, im kleinen Kreis wird er sich – siehe oben – noch weit drastischer äußern.

Marti Perarnau erzählt diese Episode in seinem Buch „Herr Guardiola. Das erste Jahr mit Bayern München“. Die komplette vergangene Saison hat er den Klub und seinen neuen Trainer aus Spanien begleiten dürfen. Die Schilderung der beiden Spiele gegen Real ist der wohl eindringlichste Teil seines Buchs – weil er das (fußball)- kulturelle Spannungsfeld definiert, in dem sich der Spanier Guardiola beim deutschen Rekordmeister bewegt. Das Aus gegen Real wurde hierzulande auch als Scheitern des spanischen Ballbesitzfußballs gedeutet, Guardiolas Mea Culpa als Eingeständnis eines Irrwegs. Doch genau das war es nicht. Im Gegenteil. „Am wichtigsten Tag des Jahres habe ich mich selbst verraten“, sagt Guardiola.

„Herr Guardiola“ überschreitet bisweilen die Grenze zur Heiligenverehrung

Der Katalane, ein totaler Kontrollfreak, hatte seine Mannschaft gegen Real stürmen lassen, anstatt das Mittelfeld zu beherrschen – und damit die Kontrolle über dieses Spiel eingebüßt, taktisch und emotional. Die Bayern verloren nicht, weil Real so überraschend und überragend gespielt hatte; sie verloren, weil Guardiola den Ideen seiner Spieler gefolgt war. Sie hatten, so berichtet Perarnau, die Angelegenheit nach dem 0:1 im Hinspiel auf ihre Weise erledigen wollten. Auf Bayern-Art nämlich. Guardiola selbst hatte zunächst einen anderen Plan gehabt. Doch er ließ sich treiben, und dass das Hinspiel in Madrid – im Unterschied zu seiner eigenen Interpretation – von der Öffentlichkeit eher skeptisch bewertet worden war, trug ebenfalls einen Teil dazu bei. Die Kommentare, so Perarnau, „verbreiteten ein pessimistisches Klima bei Spielern und Fans und auch in der Presse, was keinen unerheblichen Anteil an dem katastrophalen Konzept haben sollte, das Guardiola für das Rückspiel entwickelte“.

Es gibt vermutlich im aktuellen Fußballgeschäft niemanden, über den mehr Bücher, Abhandlungen, Biografien erschienen sind als Pep Guardiola. Sein Wirken, seine Idee vom Fußball sind bis ins scheinbar Letzte ausgeleuchtet. Man glaubt, den Spanier und seine Ansichten über den Fußball perfekt zu kennen; aber erst „Herr Guardiola“ legt den Blick frei in den Maschinenraum. Man erkennt zum ersten Mal die Idee hinter der Idee, versteht, wie Guardiola funktioniert. Das ist das Besondere an diesem Buch.

Marti Perarnau: Herr Guardiola. Das erste Jahr mit Bayern München. Verlag Antje Kunstmann, 428 Seiten, 19,95 Euro.
Marti Perarnau: Herr Guardiola. Das erste Jahr mit Bayern München. Verlag Antje Kunstmann, 428 Seiten, 19,95 Euro.
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Marti Perarnau, 1980 Olympiateilnehmer im Hochsprung und inzwischen Journalist, hat einen exklusiven Zugang zu Guardiola besessen. Offensichtlich konnte er überall dabei sein, mit jedem über alles reden. Das macht den Wert dieses Buches aus, gerade weil Guardiola in seiner Öffentlichkeitsarbeit sonst sehr restriktiv ist. Er redet nur bei Pressekonferenzen vor und nach den Spielen, Interviews gewährt er generell nicht.

Wovon das Herz voll ist, davon fließt der Mund über

Guardiola kann sich eben aussuchen, mit wem er redet. Dass er Perarnau erwählt hat, schlägt sich natürlich auch im Ton des Buchs nieder. „Herr Guardiola“ überschreitet bisweilen die Grenze zur Heiligenverehrung. Alles ist ein bisschen dick aufgetragen. Da reicht es nicht, dass Robert Lewandowski ein außergewöhnlicher Stürmer ist, er wird gleich zum Genie gemacht. Als Beleg dafür, dass Deutschland ihn verändert hat, führt Perarnau an, dass Guardiola der Vereinszeitschrift ein Interview gibt. Wow, Pep Guardiola gibt der Vereinszeitschrift der Bayern ein Interview!

Wovon das Herz voll ist, davon fließt der Mund über. Perarnau kann seine Begeisterung nur schwer zügeln. Da tauchen wieder und wieder die gleichen Geschichten auf, ein- und dasselbe Zitat sogar wortgleich an zwei verschiedenen Stellen. Bei allen Stärken – ein sorgfältigeres Lektorat hätte dem Buch sicher nicht geschadet.

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