Champions League: Juventus Turin: Paulo Dybala: Der moderne Mario Kempes
Juventus hätte gegen Bayern München gerne auf Paulo Dybala gesetzt. Nun aber fällt der hochveranlagte Argentinier aus.
Im Sommer wurde dem FC Bayern angeblich ein junger, enorm talentierter Fußballspieler angeboten, der in Europa nur Fachleuten etwas sagte. Ein unbekannter Name, der bei einem unbedeutenden Verein spielte: Paulo Dybala von US Palermo. Karl-Heinz Rummenigge, ein exzellenter Kenner des italienischen Fußballs, lehnte ab. Nicht, weil er den Spieler verkannte, sondern weil er in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender innerbetriebliche Probleme für sein Fußballunternehmen aufkommen gesehen hätte bei einer Verpflichtung. Über Offensivkünstler wie Dybala verfügt der FC Bayern ja schon zur Genüge.
Anders Juventus Turin. Italiens Meister wollte den 22 Jahre alten Argentinier unbedingt als Ersatz für den abgewanderten Carlos Tevez. Insgesamt 40 Millionen Euro ließ sich Turin Dybala kosten – selbst in Zeiten astronomischer Ablösesummen ein stolzer Preis für einen beinahe Unbekannten.
Mittlerweile ist Dybala dabei, seine Popularität mit jedem Spiel zu erhöhen. In der Serie A hat er nach Gonzalo Higuain die zweitmeisten Tore geschossen, 14 Mal traf er bisher. In der Champions League gelang ihm zuletzt beim 2:2 im Achtelfinal-Hinspiel gegen den FC Bayern ein Tor. Im Rückspiel aber wird er nicht dabei sein. Dybala brach das Training mit einem Überlastungs-Ödem im linken Unterschenkel ab, wie der Serie-A-Tabellenführer am Dienstag mitteilte. Sein Einsatz im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League bei Bayern München am Mittwochabend (20.45 Uhr) ist genauso ausgeschlossen wie der des italienischen Nationalspieler Claudio Marchisio. Der 30-Jährige hatte sich nach Klub-Angaben eine Zerrung in der linken Wade zugezogen.
Man wünscht seinem Gegner keine Verletzten, aber für Bayern München bedeutet die Meldung von Dybalas Ausfall, dass die Chancen auf ein Weiterkommen gestiegen sind. Ausgerechnet ihn, den die Münchner im Sommer verschmähten, fürchteten die Bayern am meisten. „Die Dinge nehmen jetzt ihren natürlichen Lauf“, sagt Santos Turza. Seine Stimme knarzt durchs Telefon, die Verbindung nach Argentinien ist schlecht. Turza, den sie „El Gordo“, den Dicken nennen, arbeitet seit über 40 Jahren als Spielerbeobachter für den Klub Instituto Atletico Central de Cordoba. Ein Mann mit einem verlässlichen Gespür für Talente. Mario Kempes hat er einst entdeckt und noch einige andere, die später ihr Geld in Argentinien und Europa verdienten. „Aber Paulo war schon speziell.“
„Paulo macht instinktiv immer das Richtige“
Was Turza meint: Dybalas Fähigkeit ein Spiel zu lesen und die Freigeistigkeit, mit der er sich über den Platz bewegte. Der Junge war überall zu finden. Auf links oder rechts, im Mittelfeld oder ganz vorne – Dybala tauchte immer dort auf, wo das Geschehen gerade tobte. Mal als Mittelstürmer, mal als Außen, mal als Spielmacher. So spielt er heute noch, auch bei Juventus genießt er alle Freiheiten. Im taktisch geprägten Fußball Italiens eine Seltenheit. Die Verantwortlichen haben ihm das Trikot mit der Nummer 21 gegeben – die trugen bei Juve zuvor Andrea Pirlo und Zinedine Zidane. „Paulo macht instinktiv immer das Richtige“, sagt Turza.
Als Scout bekam er früh einen Eindruck von Dybalas Willensstärke. „Mir genügten wenige Augenblicke, um sein Talent zu erkennen, und wir forderten sofort seinen Pass von Newell’s an.“ Sein alter Klub schickte die Formulare innerhalb von drei Tagen zu, aber Dybala, zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre alt, weigerte sich, ins Internat nach Cordoba zu ziehen. Die Familie aufzugeben, kam für ihn nicht infrage. Das ist bis heute so geblieben, auch in Turin wohnt er zusammen mit seiner Mutter und den zwei Brüdern in einem Haus.
Lieber fuhr er mit Vater Adolfo stets die 55 Kilometer pro Strecke von seinem Heimatort Laguna Larga in die große Stadt. Auf ihren Fahrten träumten die beiden den gemeinsamen Traum vom Profifußball. Der Vater, früher selbst Fußballer, hatte es nie bis ganz nach oben geschafft, aber er wusste, welch außergewöhnliche Begabung der jüngste seiner drei Söhne hatte. Adolfo Dybala konnte nur ahnen, was für Paulo noch möglich sein sollte, erleben konnte er es nicht. Er starb an Krebs, da war sein Sohn gerade 15 Jahre alt. Ein entscheidender Moment in Paulos Karriere. Er entschied sich, doch ins Internat zu ziehen und setzte nun alles daran, Profi zu werden.
Mit 17 debütierte er in der ersten Mannschaft von Instituto, die zu diesem Zeitpunkt in der zweiten Liga spielte. Mit 19 folgte der Wechsel zu US Palermo, mit 21 zu Juventus Turin. Eine Karriere wie am Reißbrett. Selbst von den Unstimmigkeiten bei seinem Transfer von Argentinien nach Italien ließ er sich nicht ablenken. Palermo zahlte zwölf Millionen US-Dollar, Instituto erhielt aber nur drei, ein dubioser Zwischenhändler hatte sich die Rechte an Dybala gesichert. Auch die harte Schule seines ersten Trainers in Europa, Gennaro Gattuso, machte ihm nichts aus. Milans ehemaliges Raubein senste den 1, 77 Meter kleinen und nur 70 Kilo leichten Neuzugang bei jedem Trainingsspiel persönlich um, damit dieser sich schneller an die Härten des europäischen Fußballs gewöhnt.
Maurizio Zamparini zeigte sich beeindruckt von Dybalas Nehmerqualitäten und Lernwillen. Palermos Präsident tönte: „Er kann sich in einen 30-Millionen-Euro-Spieler verwandeln, so talentiert ist er.“ Das war als Kompliment gemeint. Aus heutiger Sicht hört es sich aber eher so an, als hätte er Dybala unterschätzt.